30 Jahre Maastricht-Vertrag: Die Geburt des EUropas der Banken und Konzerne
Heute vor genau 30 Jahren, am 7. Februar 1992, wurde in der niederländischen Stadt Maastricht der Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt. Seither ist Maastricht ein Synonym für jene neoliberale Politik, die vor 30 Jahren zum politischen Dogma der Europäischen Union erhoben wurde: Wettbewerb, Sozialdumping, Einsparungen, für die wir heute den Preis zahlen – das wurde heute vor 30 Jahren zu den Grundprinzipien Europas erklärt.
„Der Vertrag über die Europäische Union, auch Vertrag von Maastricht genannt, dient der Restauration des reinen und harten Kapitalismus in Europa. Sie zerstört die letzten sozialen Maßnahmen, die nach jahrzehntelangen sozialen Kämpfen durchgesetzt wurden. (...) Der Vertrag ist die verfassungsrechtliche Legalisierung [der] permanenten Erpressung der großen Massen durch eine Minderheit.“ Zu diesem Urteil kommt der belgische Journalist Gérard de Sélys in seinem Buch „Europa zoals het is“ (Europa, wie es ist). Und die Erfahrungen der letzten drei Jahrzehnte zeigen: Recht hat er!
Der Maastricht-Vertrag hatte einen Zweck: Aus einem losen Gebilde sollte ein wirtschaftlich homogener und militärisch hochgerüsteter neuer „Supra-Nationalstaat“ werden. Dieses Ansinnen wurde später durch die folgenden Verträge von Amsterdam, Nizza und Lissabon unterstrichen und seither mehr oder weniger konsequent umgesetzt.
Besonders verhängnisvoll ist die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, den Kapitalverkehr nicht nur intern, sondern auch gegenüber Drittstaaten unkontrolliert zu öffnen. Während Staaten wie die USA oder Japan selbst regeln können, in welcher Weise Kapitalströme gelenkt und kontrolliert werden, ist das den EU-Staaten durch den Maastricht-Vertrag untersagt. Durch diesen Schritt wurden die Mitgliedsstaaten de facto ihrer Souveränität beraubt.
Viele haben noch immer Illusionen über den Charakter der Maastricht-EU. 1992 wurde nicht der Grundstein für einen solidarischen Staatenbund gelegt. Zu oft sprechen selbsternannte „glühende Europäer:innen“ von dieser idealisierten Vision eines vereinigten Europas, das nur in ihren Köpfen existiert, statt über das wirtschaftlich und militärisch aggressive Gebilde EU, das heute tatsächlich existiert. Von einer Sozialunion ist die EU nämlich unendlich weit entfernt: Die systematische Zerschlagung des öffentlichen Eigentums und des Sozialwesens, die Privatisierung der Gesundheits- und Pensionssysteme und die Militarisierung – sie haben ihren Ursprung im Vertrag von Maastricht und sind unlöslich in der DNA dieses Konstrukts namens „Europäische Union“ verankert.
„Wir gehen bei der Beurteilung der EU vor allem von den Interessen der arbeitenden Menschen aus. Auf Grundlage der geltenden EU-Verträge ist eine demokratische, soziale und ökologische Entwicklung kaum vorstellbar, zu sehr dominieren die Interessen von Konzernen, Banken und der Rüstungsindustrie. Eine tiefgreifende Änderung ist mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten durchführbar, also in Wirklichkeit so gut wie unmöglich“, sagt der steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete Werner Murgg.
Die Maastricht-EU ist nicht das vielbeschworene „Europa der Demokratie und der Menschenrechte“, sondern das Europa der Banken und Konzerne. Die hohe Politik hat sich zur Befehlsempfängerin des Kapitals degradieren lassen – den Preis dafür zahlt die Masse der werktätigen Bevölkerung.
Wollen wir ein tatsächlich solidarisches Europa, brauchen wir eine andere Basis als diese EU, in deren Fundament der ungezügelte Wettbewerb und das Gewinnstreben am freien Markt fest verankert sind. Um die großen Fragen unserer Zeit zu lösen, müssen Zusammenarbeit und Solidarität an die Stelle von Wettbewerb und Ungleichgewichten treten. Dies setzt ein völlig anderes Europa voraus – einen Kontinent, der mit einer völlig anderen, einer gerechteren Verteilung des Wohlstands beginnt. Ein Kontinent, auf dem die systemrelevanten Sektoren tatsächlich der Gesellschaft gehören. Ein Kontinent, auf dem die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet wird, nicht nach den Profitinteressen der Kapitalistenklasse. Dann, und erst dann, könnten wir von einem sozialen Europa sprechen – und ja, das nennen wir immer noch „Sozialismus“.
Veröffentlicht: 7. Februar 2022