80 Jahre Silvester Heider

2024-06-23-Silvester-Heider-Wanderung-Werner-Murgg.jpg
„Die immerwährende Neutralität ist das Gegenteil von Verzwergung oder nationaler Borniertheit, wie es ihre Gegner behaupten mögen, sondern sie bedeutet wahre Weltoffenheit“, hielt Werner Murgg in seiner Rede zum Andenken an den antifaschistischen Widerstand der Partisanengruppe Leoben-Donawitz fest.
Foto: © Philipp Jölli

Liebe Freundinnen und Freunde!
Werte Genossinnen und Genossen!

An den Knotenpunkten der Geschichte unseres Landes im so ereignisreichen 20. Jahrhundert ist die KPÖ, sind die österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten, im Sinne der gerechten Sache der arbeitenden Menschen und der nationalen Interessen unseres Landes immer auf der richtigen Seite der Barrikade gestanden. Das war so im Herbst 1918, im Februar 1934, im März 1938, 1945 nach der Befreiung von der faschistischen Herrschaft bis zum Beitritt Österreichs zur damaligen EG 1995.

Im November 1918 gegründet, inspiriert von der großen Streikbewegung im Jänner dieses Jahres, wurde der Kampf für Frieden und Völkerverständigung zum Selbstverständnis der jungen Partei.
1934 waren es Kommunistinnen und Kommunisten, die sich an den Barrikadenkämpfen gegen das arbeiterfeindliche Dollfußregime beteiligten.

1938 war es die illegale KPÖ, die unmittelbar nach dem sogenannten „Anschluß“ zum Kampf um die Befreiung Österreichs von der Fremdherrschaft aufrief und in den Jahren bis 1945 gemessen an ihrer Größe den höchsten Blutzoll zur Widerherstellung eines freien und demokratischen Österreich leistete.

1945 waren es wiederum Kommunistinnen und Kommunisten, die den Abzug aller ausländischen Truppen und einen dazu notwendigen raschen Abschluß des Staatsvertrages forderten. Sie forderten aber nicht nur diese Maßnahmen zur Wiederherstellung eines souveränen Österreich, sondern sie wußten nur zu genau, daß zwar ein unmittelbarer Übergang zum Sozialismus aus innen- wie außenpolitischen Gründen nicht auf der Tagesordnung stand, sehr wohl aber, sollte das „Nie wieder!“ ernst genommen werden, es Umwälzungen an der sozialökonomischen Basis bedurfte; weg von der Herrschaft der Konzerne und Großagrarier zu einem antimonopolistischen System mit einem großen Verstaatlichen-Sektor und entscheidenden Mitbestimmungsrechten der arbeitenden Menschen.

Schließlich 1994, als die kleine KPÖ mit guten Argumenten gegen den EG-Beitritt Österreichs mobilisierte, würde er doch die Kampfbedingungen für die arbeitenden Klassen grundlegend verschlechtern. Offene Marktwirtschaft und der Abbau aller Handels- und Investitionshemmnisse würden die Türen zu verschärftem Sozialabbau öffnen.

Kehren wir zurück zu den Leobener Partisanen:

Ihr Ziel eines sozialistischen Österreich hat sich in den Jahrzehnten nach der Befreiung nicht verwirklicht. Dennoch wurden grundlegende Vorstellungen dieser Freiheitskämpfer im neuen Österreich Wirklichkeit.

Nennen wir zuallererst die Begründung einer österreichischen Nation. Bereits 1938 vom kommunistischen Theoretiker Alfred Klahr theoretisch begründet und von den Partisanen verinnerlicht, wurde sie in den Jahrzehnten Schritt für Schritt zum Allgemeingut unseres Volkes. War bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Meinung noch weit verbreitet Österreich sei eigentlich gar keine Nation, sondern Teil der deutschen Nation, wurde diese Sichtweise spätestens in den 70er Jahren, auch durch den damaligen sozialpolitischen Aufstieg der Arbeiterklasse, begleitet von einem berechtigten Stolz auf das Ansehen unseres Landes auf der weltpolitischen Bühne, zu einer krassen Minderheitsmeinung Ewig-Gestriger.

Zu den konstituierenden Elementen dieses neuen Österreich-Bewußtseins gehören wesentlich auch Dinge, welche die Partisanen in ihrem Befreiungskampf sicher mitgedacht haben: Im Ökonomischen ein großer Verstaatlichten-Sektor und damit einhergehend gewaltige Regulierungsmöglichkeiten im Sinne der Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicher Forderungen der arbeitenden Menschen, sowie, im Außenpolitischen, die immerwährende Neutralität. Sie ist das Gegenteil von Verzwergung oder nationaler Borniertheit, wie es ihre Gegner behaupten mögen, sondern sie bedeutet wahre Weltoffenheit. Bietet sie doch eine weltpolitische Bühne für den Austausch von Staaten unterschiedlicher politischer Orientierung gerade auch in Zeiten von Konflikten und Kriegen. Sie gestattet überdies das Einstreifen einer Friedensdividende im Unterschied zu Staaten, die militärischen Blöcken angehören. Man darf getrost behaupten: Die Nationswerdung Österreichs vollendete sich im Zeichen seiner Neutralität.

All das änderte sich Schritt für Schritt nach dem Beitritt unseres Landes zur EG resp. EU. Dass Eintreten für die nationalen Interessen Österreichs wird zugunsten eines unappetitlichen EU-Chauvinismus lächerlich gemacht, ja als gefährliches, angeblich „rechtes“ Gedankengut gebrandmarkt. Gerade Marxistinnen und Marxisten sollten wissen: Die Nation ist immer noch der Raum, in dem sich demokratische Beeinflussung und Kontrollen in sozialen Auseinandersetzungen entfalten können. Tendenzen der Internationalisierung als objektive Kräfte anzuerkennen ist das eine, sich ihnen einfach zu unterwerfen ist hingegen Kapitulantentum!

2024-06-23-Silvester-Heider-Wanderung-Gruppenfoto.jpg
Viele Menschen nahmen heuer an der Gedenkwanderung zum Achnerthörl teil, wo Silvester Heider im Kampf gegen die Nazis fiel.
Foto: © Philipp Jölli

Der einst stolze öffentliche Sektor Österreichs ist gerade auch als Folge des Beitritts unseres Landes zur späteren EU nahezu verschwunden und die damit einhergehende größere ökonomische Steuerungsfähigkeit eines kleinen Landes wurde am Altar einer vermeintlichen Zugehörigkeit zu etwas Größerem geopfert. Seien wir ehrlich: All das was in den Jahrzehnten nach 1945 öffentlich war oder noch ist wurde durch Deregulierung und Liberalisierung ruiniert: Post, Bahn, Telefon, der Gesundheitssektor oder die Gerichte. Überall fehlen die finanziellen Mittel, die Rechte der dort Arbeitenden werden abgebaut, um gleichzeitig Teile dieser Sektoren internationalen Investoren zu öffnen.

Schließlich die Neutralität: Sie nahm seit 1995 besonderen Schaden. Die Mahnungen im Vorfeld des EG-Beitritts, Neutralität und EG-Beitritt seien nicht vereinbar, bewahrheiten sich leider immer mehr. Über die Teilnahme unseres Landes an den EU-Battlegroups, die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ , dem unlängst verabschiedeten  sogenannten „Brief der Vier“, in dem neben Österreich drei weitere Neutrale um eine engere Zusammenarbeit mit der NATO betteln, bis zur Teilnahme am NATO-Projekt Sky-Shield, wurde und wird die Neutralität Stück für Stück ausgehöhlt. Diese unheilvollen Tendenzen mündeten dieser Tage in der Bundesheer-Übung „Schutzschild 24“, bei dem vor allem in unserem Bundesland das österreichische Bundesheer mit NATO-Kräften für ein hybrides Kriegsszenario geübt hat. Dabei ging es allerdings nicht um die Verteidigung unserer verfassungsmäßig verankerten Neutralität im Kriegsfall, sondern um das genaue Gegenteil: Geübt wurde ein Bürgerkriegsszenario, welches gerade durch die Verletzung der Neutralität ausgelöst wurde. Truppen und militärisches Gerät werden durch unser Land transportiert. Dagegen leisten Teile der Bevölkerung, auch bewaffneten Widerstand, der gemeinsam mit NATO-Truppen zusammengeschossen wird.

2024-06-23-Silvester-Heider-Wanderung-Denkmal.jpg
Eine Gedenktafel und ein kleines Denkmal erinnert an den Kampf dieser beherzten Österreicher für Demokratie und Freiheit.
Foto: © Philipp Jölli

Abschließend soll ein großer Theoretiker unserer Bewegung, der dieser Tage seinen einhundertsten Geburtstag gefeiert hätte, zitiert werden. Im Mai 1991 schrieb Ernst Wimmer einen letzten Artikel für unser theoretisches Organ „Weg und Ziel“, der sich benennt „Wozu, in wessen Interesse Neutralität?“

Er schließt mit folgenden Zeilen: „Die Partei hat unter vielen Aspekten ihre Existenzberechtigung. Was immer man ihr vorwerfen, vorhalten oder andichten mag, überprüfbar hat sie mehr für die Entstehung des nationalen Bewußtseins, für die Verteidigung nationaler Interessen – im Denken und hinsichtlich der Opfer – geleistet als jede andere Partei, ohne Beiträge in Frage zu stellen, die andere aus andersgearteten Parteibindungen, nicht selten mit Kommunisten zusammenwirkend erbracht haben….“

Bleibt mir noch zu sagen, daß gerade auch die Männer und Frauen des Widerstandes, die wir heute würdigen, einen wichtigen Beitrag zur Entstehung und Verteidigung dieser nationalen Interessen geleistet haben. Und es muß darauf hingewiesen werden, wollen wir den an einigen wenigen, aber umso wesentlicheren von mir aufgezeigten Beispielen festzumachenden Rückwärtsgang der Geschichte wieder in ein progressives Vorwärts umlenken, Eines unverzichtbar scheint: als erste Etappe ein breites, antimonopolistisches Bündnis all jener Kräfte, die unter dem Profitdiktat der Monopole in unterschiedlicher Stärke leiden an Stelle einer links getarnten Moralpolitik!

Veröffentlicht: 25. Juni 2024