Hilde Tragler im Gespräch - Alltag einer Betriebsrätin

Seit 32 Jahren Arbeiterin, seit 10 Jahren eine von zwei GLB-BetriebsrätInnen bei Magna Steyr in Graz

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März 2011

Hilde Tragler ist seit 1985 bei Magna in Graz - eingetreten als Akkordarbeiterin im Komponentenbereich – ist sie heute in der Warenübernahme beschäftigt Seit 2007 ist Hilde als GLB Betriebsrätin im Arbeiterbetriebsrat. Sie ist Vorsitzende des GLB PRO-GE und stellvertretende Vorsitzende des GLB-Steiermark. 2014 ist sie für den GLB in die Arbeiterkammer Steiermark gewählt worden. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und zwei Enkelkinder. Anne Rieger führte mit ihr ein Gespräch über die Arbeitssituation und ihre Tätigkeit als Arbeiterbetriebsrätin.

Rieger: Du arbeitest seit 32 Jahren als Arbeiterin bei Magna. Die wichtigste Frage die sich stellt ist, wenn man durchschnittlich acht Stunden am Arbeitsplatz lebt: Machst Du die Arbeit gerne?

Tragler: Als Kind einer Arbeiterfamilie wurde ich schon von Kind auf mit viel Arbeit konfrontiert und habe damit nie Probleme gehabt.

Rieger: Was ist Deine konkrete Aufgabe?

Tragler: Ich übernehme die angelieferten Waren und habe dadurch auch Kontakt zu den verschiedenen Transporteuren, vor allem zu den LKW-Fahrern.

Rieger: Wie viele Beschäftigte arbeiten in Deiner Abteilung, wie viele im industriellen Bereich, wie viele bei Magna insgesamt?

Tragler: Ich arbeite in einer der wenigen kleinen Abteilungen, die es noch gibt. Wir sind 13 und haben einen echt super Chef. Alle finden ihn angenehm. Im gewerblichen Bereich arbeiten ca. 4.500 Beschäftigte, insgesamt bei Magna hier in Graz 7.000.

Rieger: Du bist als Betriebsrätin von Deinen Kolleginnen und Kollegen gewählt worden, womit bist du da befasst?

Tragler: Ich bin für alle 4.500 Arbeiterinnen und Arbeiter Ansprechpartnerin. Wir sind zwei GLB-Betriebsräte von 21. Deswegen bin ich viel unterwegs, um auch vor Ort zu sein, wenn es Probleme gibt. Und da gibt es immer etwas für die Kolleginnen oder Kollegen mit den Vorgesetzten zu regeln.

Wir arbeiten im Schichtbetrieb und nicht für alle ist es möglich, immer in der Spätschicht zu arbeiten. Sehr schwer ist das für manche alleinerziehende Mutter, die ihr Kind am Nachmittag nicht privat unterbringen kann, weil die Kinderbetreuungseinrichtung eben am Spätnachmittag schließt. Oder wenn jemand gesundheitliche Probleme hat und deswegen nicht in Schicht arbeiten kann, oder nachmittags zur Therapie muss. Oft würde das damit enden, dass der Person gesagt wird, sie soll ihren Job aufgeben, denn Magna sei ein Schichtbetrieb, also müsse in Schicht gearbeitet werden.

Da kümmere ich mich als Betriebsrätin drum, lasse nicht locker. Das kostet viel Kraft. Es ist für mich ein Riesenerfolg, wenn es mir gelingt, dass vorübergehend für eine alleinerziehende Mutter die Spätschicht ausgesetzt wird und sie so ihren Job behalten kann. Aber immer kann ich nicht helfen und muss zusehen, wie jemand seinen Job bei uns verliert, weil sie nachmittags eben nicht arbeiten gehen kann. Das ist sehr bitter. Zwar gibt es seit etwa einem Jahr einen Betriebskindergarten, was ja gut ist, aber der hat viel zu wenig Plätze und für Schichtarbeiterinnen sind die Öffnungszeiten nicht ausgelegt.

Rieger: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist offensichtlich ein schwerwiegendes Problem in einem Schichtbetrieb. Bei welchen Problemen wirst du noch um Unterstützung gebeten?

Tragler: Immer wieder kommt es vor, dass Einstufungen falsch vorgenommen werden. Also dass KollegInnen Arbeiten machen, dafür aber nicht bezahlt werden, z.B. übernehmen sie Entscheidungen, damit der Betrieb reibungslos läuft, die eigentlich der Vorgesetzte entscheiden müsste. Dem ist es aber auch recht, dass er nicht jedes Mal gefragt wird. Also trifft die Person die Entscheidung direkt vor Ort, übernimmt quasi die Verantwortung, wird dafür aber nicht bezahlt, z.B. Staplerfahrer machen Disponentenarbeiten. Alles Einzelfällen heißt es dann.

Bei wie vielen Einzelfällen ich da schon interveniert habe, kann ich gar nicht mehr zählen. Auch fällige Vorrückungen werden gerne von oben vergessen. Was auch immer wieder vorkommt ist, dass für Therapiestunden, die nach Kollektiv bezahlt werden müssten, die Kostenübernahme verweigert wird. Was das für Hürden sind, wie Du da streiten musst. Da geht es manchmal um zwei oder fünf Stunden, eh die überhaupt mal gezahlt werden.

Rieger: Eine letzte Frage noch: Es wird ja im kommenden Jahr das Neue Frauenvolksbegehren geben. Aus Deiner Sicht, welche der 15 Forderungen hältst du für die zentralen?

Tragler: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes halte ich für die wichtigsten Forderungen. Es ist mir natürlich klar, alle Forderungen sind eine Frage der Gesellschaft und bedürfen eines Klassenbewusstseins.

Rieger: Ich danke Dir für das Gespräch.

Veröffentlicht: 4. August 2017