„Am Arbeitsplatz habe ich noch nie Sexismus erlebt“ sagt die aktuelle Frauenministerin
Anne Rieger zu Türkis-Grün aus Frauensicht
Die Frauenministerin ist eine der wichtigsten MinisterInnen. Sie ist für die Hälfte der Menschen verantwortlich. Deswegen brauchen wir ein eigenständiges Frauenministerium, mit einem substantiell erhöhten Budget. Mit dem Österreichischen Frauenring ÖFR fordern wir mindestens 210 Mio. Euro. Bei 80 Mrd. Gesamtbudget sind das Peanuts. Angesichts der vielen frauen- und gleichstellungspolitischen Baustellen muss Schluss sein mit kosmetischen Maßnahmen oder bloßen Bekenntnissen zum Gewaltschutz. Die Kürzungen und Streichungen der ehemaligen Regierung müssen rückgängig gemacht werden, mehrjährige Rahmenverträge mit Valorisierungsklauseln sind notwendig, besonders auch für Frauenhäuser, Mädchen- und Frauenberatungsstellen.
Frauen in der Regierung nutzen uns nichts, wenn sie Politik gegen die Mehrheit der Frauen machen bzw. mittragen, so wie die neue Ministerin, die u.a. auch die Agenda Frauen mit zu verwalten hat. Mit ihrem Sager „Am Arbeitsplatz habe ich noch nie Sexismus erlebt“ fällt sie hunderttausenden Frauen in den Rücken.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist kein „Frauenproblem“.
Um Frauen ökonomische Unabhängigkeit und körperliche Selbstbestimmung in sämtlichen Bereichen zu ermöglichen, um sich aus Gewaltbeziehungen zu befreien, muss es eine soziale Absicherung für ein existenzsicherndes Leben geben. Es braucht gesetzliche Regelungen für gleiches Einkommen, für gleichwertige Arbeit mit Sanktionen gegen Unternehmen, die das nicht einhalten.
Um die hohe Teilzeitquote bei Frauen zu senken, ist eine flächendeckende kostenlose, ganztägige und qualitativ hochwertige staatliche Kinderbetreuung erforderlich, die mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar ist. Kinder brauchen das Recht auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr und selbstverständliche eigenständige Väterkarenz.
Der 12-Stunden-Höchstarbeitstag muss rückgängig gemacht werden. Die Auswirkung trifft nicht den hochbezahlten Manager, sondern Familien, bei denen beide Elternteile arbeiten müssen und Alleinerzieherinnen. Letztere verfügen meist über ein geringes Einkommen, mit dem Fremdbetreuung nur schwer leistbar ist. Deswegen brauchen wir die 30-Stunden-Vollzeit-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und einen wertgesicherten steuerfreien Mindestlohn von 13 Euro/Stunde. Es braucht wohnungsnahe Arbeitsplätze und einen Ausbau klimafreundlicher, leistbarer kollektiver Mobilitätssysteme besonders im ländlichen Raum.
Für Kinderbetreuung und Pflege brauchen wir mehr Geld um mehr Personal mit weniger Stundenverpflichtung besser bezahlen zu können. So werden die Berufe attraktiver. Statt zwei Mrd. Euro mit der Senkung von Körperschaftssteuer, Spitzensteuersatz, Kapitalertragssteuer an Unternehmen und Reiche zu verschenken, muss das Geld für diese sozialen Dienstleistungen verwendet werden, ebenso die „plötzlich gefundenen“ 1,4 Mrd. Euro Budgetüberschuss.
Die Sozialhilfe (Mindestsicherung) muss rückgängig gemacht, der Familienbonus so verändert werden, dass die unteren Einkommen davon profitieren, das sind häufig Frauen.
Maßnahmen für höhere Frauenpensionen sind neben Verringerung von Teilzeit und Niedriglöhnen die Rücknahme der Lebensdurchrechnung auf wieder die „15. besten Jahre“ und eine eigenständige Ausgleichszulage. Wir lehnen die steuerliche Förderung der privaten Pensionsvorsorge ebenso ab wie das automatische Familiensplitting. Damit wird die Absicherung im Alter wieder zum individuellen Problem von Einzelpersonen oder Familien gemacht.
Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch müssen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Wir brauchen flächendeckende kostenlose geschlechtssensible Sexualpädagogik, kostenlos Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbruch.
Frauen müssen selbstbestimmt leben und sich kleiden können, dürfen nicht diskriminiert werden. Eine Senkung der Tamponsteuer ist o.k., aber kein Ersatz für unsere Forderungen. Deswegen fordern wir die erneute Behandlung des Frauenvolksbegehrens, das eine halbe Mio. Menschen unterstützt hat.
„Frauen haben immer nur erreicht, was sie sich selbst erkämpft haben“ (Johanna Donhal).
Veröffentlicht: 25. Januar 2020