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Bettelverbot:„Schwache schützen, nicht bestrafen!“

Debattenbeitrag von KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler

"Viele Gesetze und Anträge, die hier in diesem Haus beschlossen werden, gehen oft an den Menschen draußen, also an jenen, die von diesen Beschlüssen direkt oder indirekt betroffen sind, vorbei, werden oft gar nicht wahrgenommen. Nicht so in diesem Fall."

Rede von Claudia Klimt-Weithaler in der Landtagssitzung vom 15.2.2011

Die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP wollen heute das Landessicherheitsgesetz in der Steiermark novellieren. Mit anderen Worten, sie wollen ein Bettelverbot beschließen. Viele Gesetze und Anträge, die hier in diesem Haus beschlossen werden, gehen oft an den Menschen draußen, also an jenen, die von diesen Beschlüssen direkt oder indirekt betroffen sind, vorbei, werden oft gar nicht wahrgenommen.
Nicht so in diesem Fall. Ich kann mich nicht erinnern wann ich in den letzten fünf Jahren (solange bin ich für die KPÖ im Landtag) zu einem Thema so viele E-Mails, Briefe und Anrufe bekommen habe. Natürlich nicht nur ich, alle Abgeordneten haben von der Empörung, der Enttäuschung, dem Zorn, dem Unverständnis, der Ohnmacht gehört, die viele Einzelpersonen, Organisationen und Glaubensgemeinschaft zur Sprache gebracht haben.

Mittlerweile hat sich eine Plattform gegen ein Bettelverbot in der Steiermark gegründet. Dieser Plattform gehören inzwischen aktuell 143 Organisationen an. Am vergangenen Samstag gab es – organisiert von dieser Plattform – eine Demonstration in der Herrengasse an der laut Polizei an die 500 Menschen teilgenommen haben. Ich war selbst dort und hatte den Eindruck, dass es mehr waren. Diese Protestplattform reicht von Kultur- und Kunstinitiativen über Bildungs- und Sozialeinrichtungen bis zur Katholischen Kirche. Ich weiß nicht wer von Ihnen, die hier heute dieses Bettelverbot beschließen werden, sich die Mühe gemacht hat und das Fax des Organisationskomitees vom 13.2.2011 gelesen hat und weiß, um welche Einrichtungen es sich bei den Protestierenden handelt.

Tun Sie mir einen Gefallen und vergessen sie für ein paar Minuten ihren Klubzwang und ihre „Reformpartnerschaft“ und seien Sie ehrlich: Das sind doch Organisationen, die unsere Wertschätzung genießen – und das zu Recht! Also warum pfeifen Sie auf die Meinung von Menschen, die Sie ansonsten schätzen? Weil Ihnen die Meinung dieser Menschen gerade nicht ins Konzept passt?

Ich habe mir gestern bereits die Frage erlaubt, ob die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP nach den unüberhörbaren Protesten noch einmal darüber nachdenken, ob sie diese Novellierung heute beschließen wollen. Lieber SPÖ-Klubobmann Walter Kröpfl, du hast mir darauf geantwortet, dass du meine Frage befremdlich findest. Ihr werdet nicht mehr darüber diskutieren, denn ihr seid nach zwei Jahren Beratung zu dem Schluss gekommen, dass dieses Gesetz, so wie es heute beschlossen werden soll, das Beste ist. Weißt du, was ich befremdlich finde? Dass eine Partei, die sich „sozialdemokratisch“ nennt, innerhalb kürzester Zeit ihre Position von „Mit uns wird es sicher kein Bettelverbot geben!“ über „Wir können uns ein sektorales Bettelverbot vorstellen.“ bis hin zu einem „generellen Bettelverbot“ ändern kann. Ich finde es auch befremdlich, dass eine Partei wie die ÖVP, die sich „christlich-sozial“ nennt, sich gestern vornehm zurückgehalten hat und dass die Abgeordneten beider Parteien es nicht der Mühe wert gefunden haben, sich mit Menschen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten mit Problemen auseinandersetzen, die aufgrund von Armut entstehen, zu diskutieren.

Der Landtagsklub der Grünen hat gestern zu einem Hearing zum Thema „Bettelverbot“ eingeladen, die Abgeordneten der SPÖ und die Abgeordneten der ÖVP und auch jene der FPÖ haben durch Abwesenheit geglänzt. Mich würde interessieren, aufgrund welcher Fakten und aufgrund welchen Wissens Sie zu ihrer Meinungsbildung gekommen sind. Denn alle Studien, Fakten und ExpertInnenmeinungen, die ich kenne, widersprechen der Sinnhaftigkeit von dem, was sie heute beschließen wollen.

Sie argumentieren, dass Sie die bettelnden Menschen schützen wollen. Vor wem? Vor der viel zitierten Bettelmafia, für die es bis dato keinen einzigen Beweis gibt? – „Nach umfassenden Ermittlungen der Polizei ist festzustellen, dass derzeit keine organisierte Struktur und Ausbeutung der derzeit in Graz aufhältigen Bettler stattfindet“ ist einer Stellungnahme der Grazer Staatsanwaltschaft vom 10.11.2006 zu entnehmen. Am 5.2.2010 sagt der Grazer Polizeidirektor Helmut Westermayer, dass er nicht sagen kann, in welchem Ausmaß die BettlerInnen organisiert sind. Mir ist außerdem keine weitere Stellungnahme von Staatsanwaltschaft oder Polizei bekannt, die zu einem späteren Zeitpunkt getätigt wurde und gegenteiliges aussagt.

Sie argumentieren, dass Sie mit dem Bettelverbot gegen aggressives und organisiertes Betteln vorgehen wollen und gegen die Ausbeutung von Kindern. Sie wissen jedoch selbst sehr genau, dass die derzeit geltenden Gesetze dafür völlig ausreichen. Dafür brauchen wir kein Bettelverbot! Sie argumentieren: Betteln ist menschenunwürdig – Menschenwürde hat aber zuallererst etwas mit „Selbstbestimmtheit“ zu tun. Und finden sie hungern und frieren menschenwürdiger?

Also was bringt ein Bettelverbot, außer, dass sie Menschen, die arm sind, Menschen die keine Arbeit haben und deshalb betteln müssen, kriminalisieren? Mit einem Bettelverbot werden Menschen, die sich nicht anders zu helfen wissen, in die Illegalität getrieben – und sie werden nicht damit aufhören, was sollen sie denn sonst tun? Sie werden gestraft und können diese Strafe nicht bezahlen, d.h. das geht so weit, dass diese Menschen irgendwann eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen. Betteln bedeutet künftig also, irgendwann dafür eingesperrt zu werden.

Alle, die heute für dieses Gesetz stimmen, stimmen letztendlich dafür, dass arme Menschen weggesperrt werden. Sie passen ja auch so überhaupt nicht in unser schönes Bild, sie machen uns ein schlechtes Gewissen und wenn sie sich ein bisserl bemühen würden und nicht so faul wären, würden sie schon Arbeit finden und müssten nicht betteln. Ist das wirklich ihr ernst? Denken sie wirklich so? Oder ist ihre Entscheidung nicht vielmehr davon geprägt, dass Sie hinter sich eine Mehrheit vermuten? Das sie der rechten FPÖ damit den Wind aus den Segeln nehmen wollen? Dass Sie glauben, wenn Sie dieses Gesetz jetzt beschließen, in fünf Jahren wieder Gras über die Sache gewachsen ist? Ihre WählerInnen, die zwar jetzt schockiert sind, werden dann schon wieder beruhigt sein und zu ihnen zurück kehren, das ist wohl Ihr Kalkül.

Mag. Putzer von der Katholischen Aktion hat gestern beim ExpertInnenhearing gesagt: „Demokratie ist mehr als 51 Prozent“, und ich kann ihm nichts außer beipflichten. In einer demokratischen Gesellschaft müssen Schwache und Randgruppen geschützt werden, und es ist Ihre Aufgabe als PolitikerInnen, das zu tun! Bei Ihrem derzeitigen Verhalten müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, wen Sie als nächstes wegsperren wollen? Wer stört die Schönen und Reichen im öffentlichen Raum als nächstes?

Es ist eine grundlegende Frage, wie eine Gesellschaft mit Bedürftigen umgeht, die auf öffentlichen Straßen um Almosen bitten. Kann eine Gesellschaft wie die unsrige so ein offen demonstriertes Elend aushalten? Es ist auch eine grundlegende Frage, wie unsere Gesellschaft, wie die Politik mit Armut umgeht. Sie verstärken Armut indem Sie eine Mindestsicherung beschließen, die ihren Namen nicht verdient. Sie führen die Rückzahlungspflicht bei Pflege und Mindestsicherung wieder ein. Sie haben vor, die Kindergartengebühren wieder einzuführen und stimmen gegen einen Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Das alles sind „steirische“ Probleme – das Bettelverbot wird kein einziges dieser Probleme lösen. Es lenkt aber gut von diesen Problemen ab.

Es wäre schön, wenn es stimmen würde, dass bei uns niemand zu betteln braucht. Aber dem ist nicht so. Und kommen sie mit bitteschön nicht mehr mit ihren „Begleitmaßnahmen“, diese sind einzig und allein zu ihrer eigenen Gewissensberuhigung gut. Da können sie sich gerne z.B. bei Herrn Pfarrer Pucher und bei Altbürgermeister Stingl erkundigen. Die haben nämlich einen Überblick über alle bereits beschlossenen Projekte – die entweder nie umgesetzt wurden oder den gewünschten Erfolg bei weitem nicht erbracht haben.

Ich möchte abschließend noch ein paar Worte zu ihrer Vorgangsweise verlieren: Für äußerst interessant halte ich das Tempo, mit dem dieses Gesetz beschlossen werden soll. Bei allem Respekt, aber kaum eine andere Gesetzesnovellierung hat den Weg vom Antrag über den Unterausschuss in den Landtag so schnell gefunden wie dieses. Wären sich alle Fraktionen einig, gäbe es keinen Grund, dieses rasche Vorgehen zu kritisieren, aber es gibt einerseits große Vorbehalte und andererseits ein Bettelverbot in Salzburg, das dem in der Steiermark geplanten sehr ähnelt und das 2010 von der Vinzenzgemeinschaft beim Verfassungsgerichtshof beeinsprucht wurde. Dieses Urteil abzuwarten erscheint sinnvoll, außerdem besteht ja keine Gefahr in Verzug, die eine Gesetzesnovellierung dringend notwendig machen würde. Bemerkenswert ist auch die Arbeitsweise im Unterausschuss. War es bist jetzt grundsätzlich möglich und erwünscht, ExpertInnen zu bestimmten Themen einzuladen, wurde das bei dieser Materie verweigert und für „nicht notwendig“ erklärt. Unterschiedliche Positionen zu haben ist eine Sache. Sich aber die Seite der GegenerInnen nicht einmal anzuhören, zeugt von Angst, Arroganz oder beidem. Und ängstliche, überhebliche PolitikerInnen haben sich die Betroffen und die SteiererInnen nicht verdient.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an jede/n einzelne Abgeordnete appellieren: Ein Bettelverbot kriminalisiert Menschen, die arm sind. Es löst keine Probleme, sondern verschiebt sie. Sie sind Abgeordnete von Parteien, die sozialdemokratisch bzw. christlich sozial agieren sollten. Stellen Sie sich die Frage, ob dieses Verbot im Sinne ihrer Parteiideologie zu verantworten ist und stellen Sie sich vor allem die Frage, ob Sie es vor sich selbst verantworten können, diesem Verbot zuzustimmen!

Ich bitte sie persönlich, im Namen der KPÖ Steiermark und im Namen von 143 Organisationen, die der Plattform gegen ein Bettelverbot in der Steiermark angehören, dieser Novellierung eine Absage zu erteilen. Danke für ihre Aufmerksamkeit.

Veröffentlicht: 15. Februar 2011

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