Care-Theorie aus der Küche
Oder: Das Verdampfen feministischer Utopien und die Borretsch-Revolution
Christine Braunersreuther, Dipl. Mus. (FH), Gemeinderätin der KPÖ in Graz, schreibt in dem Buch "Mutterschaft und Wissenschaft - Die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkeit" einen Beitrag
über Forderungen, die im Rahmen der so genannten zweiten Frauenbewegung entwickelt und umgesetzt wurden, und darüber, dass insbesondere im Care-Bereich wieder Rückschritte zu erkennen sind. Feministische Theorie zu Care-Arbeit ist immer auch ein wenig Utopie. Denn Care-Arbeit, also nicht produktive Tätigkeiten zur Um- und Versorgung von Menschen, ist als Arbeit gering geschätzt. Im professionellen Bereich wird sie daher prekär entlohnt, familiäre Reproduktionstätigkeiten werden in der Regel unbezahlt und meist von Frauen erledigt.
Ausgangspunkte der feministischen Care-Theorie sind daher immer Defizite in der Anerkennung und Gleichberechtigung, doch ihr Ziel war es seit jeher, mit guten Ideen aktiv gegen diese Missstände anzuarbeiten. Einige der Forderungen, die im Rahmen der so genannten zweiten Frauenbewegung entwickelt wurden, sind umgesetzt. Aber insbesondere im Care-Bereich sind derzeit sogar Rückschritte zu erkennen. Sich als Feministin damit wissenschaftlich auseinander zu setzen bedeutet daher ein ständiges Schwanken zwischen Faszination, Desillusion und Willen zur Veränderung. Sich als Mutter mit Theorie zur Familienarbeit zu beschäftigen heißt zudem, persönlich im Alltag darüber zu reflektieren. Und es heißt auch zu lernen, mit Wut umzugehen – oder auch nicht.
Der Text ist ein autoethnographischer Abgleich zwischen feministischer Theorie zur Care-Arbeit und der Praxis als alleinerziehende Mutter in einer Gesellschaft, die von konservativen Frauen- und Familienbildern und dem Stereotyp der Care-Arbeit als ‚weibliche Arbeit‘ geprägt ist.
Mutterschaft und Wissenschaft
Die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkei
Herausgeberinnen: Czerney, Sarah, Eckert, Lena, Martin, Silke (Hrsg.)
Authentische Stimmen und persönliche Erfahrungen von in der Wissenschaft tätigen Müttern
2020
Veröffentlicht: 4. Dezember 2020