Die KPÖ und die Frauenfrage
Doris Berger, Frauenvorsitzende der KPÖ Steiermark, über politisch aktive Frauen in der KPÖ
Ich lege meinen Schwerpunkt auf die Zwischenkriegszeit möchte politisch aktive Frauen selbst sprechen lassen. Dazu werde ich kurze Texte aus Zeitungen, die von KPÖ-Frauen für Frauen herausgegeben wurden, zitieren.
1919
Die Gründung der KPDÖ, der Kommunistischen Partei Deutsch Österreich, erfolgte am 3. November 1918. Der unmittelbare Gründungsimpuls ging von einem Zirkel um Elfriede Friedländer aus. Sie erhielt auch das Mitgliedsbuch NR. 1. Sie war sicher eine sehr streitbare und kontroverse Person. Aber sie war unumstritten wesentlich an der Gründungsphase der KPDÖ beteiligt. Auf dem ersten Parteitag der KPDÖ am 9. Februar 1919 hielt sie das Hauptreferat Als Herausgeberin des KPDÖ-Organs „Der Weckruf/Die Rote Fahne“ sowie als Redakteurin der Zeitschrift „Die revolutionäre Proletarierin“ war sie maßgeblich für die Entwicklung der Frauenpolitik der ganz jungen KPDÖ.
Ich möchte kurz die Situation vieler Frauen in Österreich im Jahre 1919 beschreiben:
Die Frauen sind im Krieg in alle möglichen neuen Stellungen und Berufe hineingezwungen worden, nicht freiwillig, die wirtschaftliche Not hat sie dazu getrieben. 1919 ist der Krieg zu Ende, die wirtschaftliche Krise ist ausgebrochen, tausende Männer sind zurückgekehrt und fordern nun Arbeit. Sie verdrängen im rücksichtslosen Wirtschaftskampf – auch um Arbeitsplätze - die Frauen und diese stehen plötzlich ohne Arbeit und ohne die Möglichkeit neue Arbeit zu finden arbeitslos da.
So steht in „Die revolutionäre Proletarierin“ Nr. 2 vom 8. Februar 1919:
„Brutale Rücksichtslosigkeit gegen weibliche Hilfskräfte.
Die weiblichen Posthilfskräfte in Graz wurden rücksichtslos gekündigt; man stellt sie jedoch wieder an, aber ohne Teuerungs- und Dienstzulage mit ungefähr 2.50 Kronen pro Tag“.
1 kg Brot müßte lt. eigener Rechnung ca. 7,5 Kronen gekostet haben, 1919 lag die Inflation bei 149 Prozent.
In ebendieser Ausgabe ist eine Anzeige zu lesen:
„Achtung! Genossinnen! Große Frauenversammlung am Dienstag den 11. Februar 1919, halb 6 Uhr im Saale „Zum Feldmarschall Laudon“, Hernalsergürtel 11.
Tagesordnung: ‚Wie kommen die Frauen aus dem jetzigen Elend heraus?‘
Referentin Genossin Friedländer.“
Ebenfalls aus der Zeitschrift „Die revolutionäre Proletarierin“ aus einer Ausgabe vom April 2019 geht unter dem Titel „Die Frauen in der kommunistischen Partei“ hervor:
„Die Kommunisten wollen prinzipiell keine eigenen Frauenortsgruppen gründen, die durch
Beitragszahlungen, eigene Mitgliederkarten usw. als eigener Verein existieren. Immerhin ist man der Meinung, dass die „Frauen in bestimmten Formen organisiert und zusammengehalten werden sollen und empfiehlt in jeder Ortsgruppe sogenannte „Vertrauensmänninnen“.
Bei uns in der Steiermark gibt es 1919 eine Obfrau der KPÖ Steiermark, Valeska Türner. Über sie ist nur wenig bekannt. Als Lehrerin hielt sie in der Arbeiterkammer Sprachkurse ab. 1934 wurde sie aus politischen Gründen aus dem Schuldienst entlassen. Im Zuge einer
Verhaftungsaktion gegen bekannte KommunistInnen wurde Valeska Türner am 27. September 1938 festgenommen und im Auftrag der Gestapo erst ins Konzentrationslager Lichtenburg, später ins KZ Ravensbrück überstellt. 1942 wurde sie in die „Euthanasie-Anstalt“ Bernburg an der Saale ermordet.
1930
Ich möchte jetzt in der Zeit vorspringen und entnehme meine nächsten Informationen der Zeitschrift: „Die Arbeiterin“
Sie ist monatlich herausgekommen, erstmals im März 1924, das letzte Mal im Juli 1931. Anfangs führte sie den Titelzusatz „Organ der Zentralstelle für Frauenpropaganda der KPÖ“, später den Zusatz „Organ für die Interessen der werktätigen Frauen in Österreich“.
Ich habe hier wieder ein paar Texte herausgenommen, zu damals aktuellen Themen.
Im Februar 1930 hieß es in einem Artikel über die Arbeiterinnen in der Schuhindustrie:
„Der Zahl entsprechend, haben die Frauen prozentuell nicht die ihnen gebührende Vertretung, weder in der Gewerkschaft, noch im Betriebsrat. So ist z. B. im Verbandsvorstand keine einzige Arbeiterin vertreten, obwohl mindestens 40 Prozent der Verbandsmitglieder Frauen sind!“
weiter im selben Artikel:
„Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 7 Stunden müssen wir mehr als bisher propagieren. Die doppelte Bürde, die auf den Schultern einer Arbeiterin liegt, muß uns veranlassen, die Schuharbeiterinnen zum Kampfe um die Verkürzung der Arbeitszeit aufzurufen. Die 44-Stundenwoche ist auch bei uns bisher am Papier geblieben“.
Bevor ich die Forderungen zum Internationalen Frauentag 1930 vorlese, möchte ich wieder kurz auf die Situation Anfang 1930 eingehen:
Wir befinden uns mitten in der Wirtschaftskrise, die im Oktober 1929 durch den New Yorker Börsencrash begann. In Österreich ist die Regierung Schober III (parteilose Ministern und Vertreter der Christlichsozialen und der Großdeutschen Partei sowie des Landbundes) an der Macht:
Die „Arbeiterin“ schreibt hier:
„Die Sozialversicherung soll zertrümmert, die Arbeitslosenunterstützung soll abgebaut, die Löhne sollen gekürzt werden. Die Rationalisierung soll in verschärfter Form fortgesetzt, das Antiterrorgesetz, das Zuchthausgesetz für klassenbewußte Arbeiter und Arbeiterinnen soll Wirklichkeit werden. Die Steuern der Reichen sollen herabgesetzt und die Massensteuern, die den proletarischen Haushalt belasten, sollen erhöht werden.
Dieses Raubprogramm verkünden die Unternehmer zu einer Zeit, wo die Massenverelendung katastrophale Formen angenommen hat, wo Österreich 450 000 Arbeitslose zählt, mit ihren Familien sind das 1 ½ Millionen Proletarier, die verhungern und zugrunde gehen“.
Zum Vergleich: 1930 lebten in Österreich 6,6 Mio. Menschen.
In der Märzausgabe von „Die Arbeiterin“ ist dann im Aufruf zum Internationalen Frauentag 1930 zu lesen:
„Heraus zum Internationalen Frauentag am 8. März!
Gegen Faschismus und imperialistische Kriegsrüstungen!
Für die Verteidigung der Sowjetunion!
Gegen die Generaloffensive der Unternehmer!
Gegen den Verrat der Gewerkschaftsführer, gegen Sozialfaschismus!
Für die sofortige Abschaffung des §144!
Für die Forderungen der Arbeitslosen, für den 7-Stundentag!
Für gleichen Lohn für gleiche Leistung!
Gegen die faschistische Schober-Regierung!
Für die Arbeiter- und Bauernregierung!
Für die Diktatur des Proletariats!“
Der Paragraph 144 stammte aus dem Jahr 1803 und wurde erst 1975 durch die Fristenlösung abgeschafft. Für die Jüngeren möchte ich ihn vorlesen, um seine Bedeutung herauszustellen: .
§144. Eine Frauensperson, welche absichtlich was immer für eine Handlung unternimmt, wodurch die Abtreibung ihrer Leibesfrucht verursacht, oder ihre Entbindung auf solche Art, dass das Kind tot zur Welt kommt, bewirkt wird, macht sich eines Verbrechens schuldig.
Strafe.
§145. Ist die Abtreibung versucht, aber nicht erfolgt, so soll die Strafe auf Kerker zwischen sechs Monaten und einem Jahre ausgemessen; die zustande gebrachte Abtreibung mit schwerem Kerker zwischen einem und fünf Jahren bestraft werden.
1933
3 Jahre später wurde die KPÖ ja von der austrofaschistischen Regierung Dollfuß verboten, von da an wirkten viele Anhängerinnen und Anhänger im Untergrund.
wie z.B: Maria Cäsar. Sie trat 1934 dem illegalen Kommunistischen Jugendverband (KJV) bei, engagiert sich in der politischen Untergrundarbeit, weil „wir uns nicht damit abgefunden haben, dass alles aus sein soll“ und weil schon bekannt ist, „dass in Deutschland Bücherverbrennungen stattgefunden haben ... wir haben gewusst, dass Faschismus vorbereitet, dass es zu einem Krieg kommt, wir wollten keinen Krieg“.
In der Zeit des Austrofaschismus und des darauffolgenden Nationalsozialismus gab es viele Kommunisten und Kommunistinnen, die im Widerstand tätig waren, die die vollen Repressalien dieses UnrechtsStaates zu spüren bekamen, mehrmals verhaftet wurden, ins KZ gekommen sind. Manche wurden von den Nazis ermordet. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Schicksale der einzelnen großartigen Frauen eingehen, das würde den Rahmen sprengen. Wir haben die Ausstellung „Streiflichter – Geschichten von Kommunistinnen in der Steiermark“, die anhand weniger Biographien das Schicksal und die Stärke dieser Frauen erzählt. Die Ausstellung war in Graz und im KPÖ Bezirksheim in Leoben zu sehen.
Nachkriegszeit
Deshalb springe ich gleich ins Jahr 1945 und zwar zur Provisorischen Staatsregierung Renner, der Helene Postranecky angehörte. Sie war die erste Frau, die einer österreichischen Bundesregierung angehörte.
Im Oktober 1945 erscheint die erste Nummer der „Stimme der Frau“ in 50.000 Exemplaren.
1946 kam es zur Bildung des ersten Komitees des „Bundes Demokratischer Frauen“ (BDF).
In der Folge entsteht eine österreichweite Organisation, der Grete Schütte-Lihotzky und Hella Postranecky vorstehen.
Der Bund intervenierte bei den Justizministern und Abgeordneten
für die Reform des veralteten Ehe und Familienrechts aus dem Jahr 1811
für die Abschaffung des § 144
für die Durchsetzung des gleichen Lohnes für gleichwertige Arbeit
für gleiche Bildungs- und Aufstiegschancen
für ausreichende und gute Kindereinrichtungen und
bessere Lebensverhältnisse für die Familien.
Maria Cäsar arbeitet ab 1950, Inge Arzon ab 1970 im BDF-Steiermark.
Da später noch ein Gespräch mit Inge Arzon haben, ist es viel besser, wenn sie darüber erzählt, denn sie war ja schließlich dabei!
Aus diesem Grund überspringe ich jetzt einen großen Zeitraum, möchte noch erwähnen, dass die Zeitschrift „Stimme der Frau“ im März 1993 leider eingestellt wurde,. Ich möchte aber allen ans Herz legen einen Blick hineinzuwerfen. Wir haben in der Bibliothek eine große Sammlung vieler Ausgaben und es lohnt sich hinein zuschauen.
Kommen wir noch kurz zum Aktuellen:
Die KPÖ hat das erste Frauenvolksbegehren unterstützt und wir unterstützen natürlich auch das Frauenvolksbegehren 2.0, das gerade läuft.
Wir haben im November 2014 ein eigenes Frauenprogramm für die KPÖ Steiermark erarbeitet und beschlossen.
Ich wollte den Schwerpunkt auf die Frühzeit richten, für die jüngere Geschichte sollten wir Genossinnen befragen die dabei waren und es heute noch sind.
Doris Berger, Frauenvorsitzende der KPÖ Steiermark
Veröffentlicht: 16. November 2018