Die letzte Chance – sie wurde vertan

Vor 10 Jahren: Der 32. Parteitag der KPÖ

Es war ein KPÖ-Parteitag wie kein anderer. Im April und im Juni 2003 wurde auf dem 32. Parteitag von den Mitgliedern der Versuch unternommen, eine tragfähige Basis für die gemeinsame Weiterarbeit im ganzen Land zu finden. Dieser Versuch ist letztlich gescheitert.  Franz Parteder über den 32 Parteitag der KPÖ

 

Die Vorgeschichte: Im Dezember 2000 hatten die Delegierten des 31. Parteitages den damaligen Parteivorsitzenden Walter Baier nur mit äußerst knapper Mehrheit in seiner Funktion bestätigt. Statt auf die Kritikerinnen und Kritiker seiner Person und seiner politischen Positionen zuzugehen, zog er es aber vor, diese in der Parteiöffentlichkeit unmöglich zu machen, indem einige ihrer internen (und oft sehr unüberlegte) email-postings auf eine äußerst selektive Weise in den Publikationen der Bundes-KPÖ publiziert wurden.
Die Diskussion über die programmatische Weiterentwicklung der Partei wurde darüber hinaus immer stärker von der damals aktuellen Tendenz einer Überbewertung der Sozialforen und einer Zurückdrängung des Bezugs auf die Arbeiterklasse dominiert.
Ohne den großen Erfolg der Grazer KPÖ bei der Gemeinderatswahl im Jänner 2003 wäre schon damals das exekutiert worden, was man im Dezember 2004 auf dem 33. Parteitag durchsetzte: Die Umwandlung der Bundes-KPÖ in eine Linkspartei, die in ihrer Programmatik und Politik starke Anleihen bei nichtmarxistischen Strömungen macht und in vielen Positionen beliebig geworden ist.

Noch war es aber nicht so weit. Neben einer in innerparteilichen Fragen eher  weltfremden marxistisch-leninistischen Opposition in Wien und einigen Bundesländern gab es da noch die steirische KPÖ. Sie hatte Erfolge aufzuweisen, die zustande gekommen waren, weil man die Rezepte der Parteiführung ganz bewusst nicht übernommen hatte, und sie besaß mit Willi Gaisch einen theoretischen Kopf, der – gemeinsam mit anderen – in der Lage war,  einen programmatischen Gegenentwurf zu formulieren, der sich von Sektierertum und Opportunismus abgrenzte. Das Landesprogramm der steirischen KPÖ war für die Parteispitze deshalb eine harte Nuss, die sie nicht knacken konnte.

Nach dem mit dem Namen von Ernest Kaltenegger verbundenen Wahlerfolg ging die Gruppe um Walter Baier nach außen hin auf die Vorschläge ein, die aus der Steiermark gekommen waren. Der 32. Parteitag sollte als Mitgliederparteitag in zwei Teilen durchgeführt werden. Auf dem ersten Teil im April ging es um die Diskussion der verschiedenen programmatischen Ansätze, Mitte Juni sollte eine neue Parteiführung gewählt werden.
Ich hatte die Ehre, auf der 1. Tagung des Parteitages ein Referat über das steirische Landesprogramm zu halten.(siehe Anhang). Mir ging es darum, damit einen Beitrag zu leisten, „damit es in Österreich auch in Zukunft eine Kommunistische Partei gibt, die diesen Namen verdient, die KPÖ“.
Der Parteitag nahm die Thesen des Bundesvorstandes und die steirische Landesprogramm als gleichberechtigte Grundlagen für die Weiterarbeit an. In einer zwischen den beiden Tagungen veröffentlichten Stellungnahme war ich noch optimistisch und schrieb:  „Jetzt haben wir die Möglichkeit, eine sachbezogene und grundsatztreue Politik zu entwickeln. Die revolutionäre Arbeiterbewegung war immer dann erfolgreich, wenn es gelungen ist, vom Nachbeten irgendwelcher Formeln – seien es alte oder neue, modern wirkende – zur konkreten Analyse der konkreten Situation zu kommen. Auf dem zweiten Teil unseres Parteitages müssen wir verantwortungsbewusst unsere Tätigkeit analysieren, Schlussfolgerungen  für die künftige Arbeit ziehen und einen Bundesvorstand wählen, der in der Lage ist, alle Teile der Partei zu vertreten und zu motivieren.“

Kampfabstimmung


Welche Personen sollten diese Weichenstellung umsetzen? Die alte Führung, die sich jahrelang dagegen gewehrt hatte? Neue Personen aus der Steiermark und anderen Bundesländern? Oder sollte eine Synthese gefunden werden?
Es ist nicht der Platz, alle Winkelzüge nachzuzeichnen, die es in den Wochen zwischen April und Juni 2003 in der Personalfrage gegeben hat. Nur zu bald wurde klar, dass die Gruppe um Walter Baier auf keine einzige Position verzichten wollte. So kam es dazu, dass für die Funktion des Parteivorsitzenden auf der steirischen Mitgliederversammlung mit Manfred Eber ein Gegenkandidat zu Walter Baier nominiert wurde. Statt Heidemarie Ambrosch wurde Petra Stöckl als Frauenvorsitzende vorgeschlagen.
Manfred Eber stellte auf der 2. Sitzung des Parteitages im Juni seine Position dar: „Ich stehe für eine eigenständige, für eine kommunistische Partei, die nicht jedem neuen Trend, neuen Modeerscheinungen hinterherrennt, sondern die sich aktiv und zäh für die Interessen der Arbeiterklasse einsetzt. Ich meine, wir müssen und wir können selbstbewusst an neue Herausforderungen herangehen, denn wir haben unsere marxistische Weltanschauung als Richtschnur für unser Handeln. Und der Marxismus ist für uns kein Glaubenssatz und er ist nicht beliebig, sondern nach wie vor das wirkungsvollste Instrument, um den gegenwärtigen Kapitalismus, den Imperialismus verstehen zu können.
Und ich stehe für innerparteiliche Demokratie, für sachliche, auch harte, Auseinandersetzungen. Für mich bedeutet dies, auch unterschiedliche Meinungen müssen ihren Platz in unserer Partei haben, auch Meinungen und Standpunkte, die mit meinen nicht ident sind.“

War die erste Tagung des Parteitages über weite Strecken sachlich verlaufen, bot sich im Juni ein anderes Bild. Angefangen von Walter Baier, der seine Rede zu einem persönlichen Angriff auf seinen Herausforderer nutzte, war die Debatte von Untergriffen geprägt. Und auch bei der geheimen Wahl der zentralen FunktionärInnen und der Bundesvorstandsmitglieder, war die Fraktionsdisziplin wichtiger als vieles andere. (Mir ist vor kurzem ein Abstimmungszettel aus einem Wiener Bezirk zugespielt worden, aus dem hervorgeht, dass ganz genau vorgegeben wurde, wer gewählt werden sollte und wer nicht).
Das Ergebnis war überraschend. Walter Baier setzte sich nur äußerst knapp gegen Manfred Eber durch. Petra Stöckl besiegt Heidemarie Ambrosch mit noch knapperem Abstand. Bei der Bundesvorstandswahl blieb  Baier sogar unter der absoluten Mehrheit.
Bei 395 abgegeben Stimmen wurde folgender Bundesvorstand gewählt:  Manfred Groß 287 Stimmen, Robert Hobek 245 Stimmen, Elke Kahr 241 Stimmen, Michael Graber 227 Stimmen, Oliver Jonischkeit 203 Stimmen. Der direkt gewählte Parteivorsitzende Walter Baier und die Frauenvorsitzende Petra Stöckl gehörten dem Bundesvorstand ebenfalls an.

Der gute Wille war nicht vorhanden

Bei gutem Willen aller Seiten hätte der Vorstand in dieser Zusammensetzung die Partei zusammenführen können. Mit Manfred Groß (der allerdings zu diesem Zeitpunkt schon schwer erkrankt war), dem Post-Vertrauensmann Robert Hobek und GLB-Sekretär Oliver Jonischkeit war die Arbeitswelt stark vertreten. Walter Baier und Michael Graber hatten ihren Einfluss nicht ganz verloren und Elke Kahr wie auch Petra Stöckl konnte man als neue Kräfte in der Parteispitze begreifen.
Der gute Wille war aber nicht vorhanden. Walter Baier wollte sich seinen Weg in die europäische Linke nicht durch die Entscheidung des Parteitages versperren lassen. Und auch die bisherige Parteiopposition (außerhalb der Steiermark) begriff nicht rechtzeitig, dass die geänderten Mehrheitsverhältnisse auch eine erhöhte Verantwortung für die Gesamtpartei und für alle Mitglieder bedeuteten.
Elke Kahr, die zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wurde, versuchte, durch konstruktive Beiträge im Vorstand einen Weg nach vorn zu öffnen, die steirische KPÖ forderte alle Seiten auf, sich einer öffentlichen Polemik zu enthalten.
Als Auswertung des Parteitages sollte eine Broschüre mit dem beschlossenen Aktionsprgramm erscheinen. Walter Baier und Elke Kahr feilten wochenlang an einem Vorwort, bis es schließlich eine Einigung gab, die so lautete:
„Das Eintreten für Menschenrechte und soziale Sicherheit, der Kampf für eine neue Gesellschaftsordnung sind  auch und vor allem  Fragen der gesellschaftlichen Praxis. Das bedeutet: Unsere Partei, die KPÖ, muss sich bemühen, eine nützliche Kraft für die Menschen zu sein, ihre Sprache zu sprechen und gemeinsam mit ihnen für Demokratie und Sozialismus  aktiv zu werden.
Der Versuch, den Alltag zu verändern, wird aber ohne Einsicht in die Triebkräfte der Entwicklung in unserem Land, in Europa und in der Welt nicht weit führen. Es geht darum, dass diese Erkenntnisse möglichst präzise sind und die Erfahrungen der gesellschaftlichen Praxis aufnehmen. Nur so ist es möglich, die Macht- und Eigentumsverhältnisse im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten umzuwälzen und das Zusammenleben der Menschen so zu verändern, dass es keine Herrscher und keine Mägde mehr gibt.
Vor und auf dem 32. Parteitag der KPÖ hat es deshalb eine lebhafte Diskussion über diese grundlegenden Fragen gegeben. Wir haben dabei die Geschichte der kommunistischen Bewegung nicht ausgeklammert. Die Debatte darüber ist nicht abgeschlossen.
Wir stellen uns das große Ziel einer anderen, einer sozialistischen Gesellschaftsordnung und wollen dieses Ziel gemeinsam mit den arbeitenden Menschen, gemeinsam mit allen Frauen und Männern erreichen, die eine Alternative zum jetzigen Weltzustand suchen. Das ist ein großer Anspruch für eine kleine Partei.
Prüfen Sie selbst, wie weit wir mit dieser Arbeit gekommen sind.

Walter Baier, Bundesvorsitzender der KPÖ

Elke Kahr, Stellvertretende Bundesvorsitzende der KPÖ“

 

Diese Broschüre ist nie erschienen. Nach einem Stellungskrieg im Apparat, der hier nicht beschrieben werden soll, kam im September 2003 das Urteil im NOVUM-Prozess. Das hatte eine gravierende Auswirkung. Die Gruppe um Walter Baier nahm die finanzielle  Notsituation der KPÖ nicht zum Anlass, gemeinsam mit allen Entscheidungsträgern nach Auswegen zu suchen. Sie beschloss im Gegenteil, ihr umstrittenes Parteikonzept  ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen . Dabei waren  ihr die aktuelle Zusammensetzung des Bundesvorstandes der KPÖ und  auch die Rolle der KPÖ-Steiermark hinderlich.
Es dauerte ein Jahr, bis auf dem 33. Parteitag dieses Ziel erreicht, die „fundamentalistische“ Parteiopposition ausgegrenzt oder ausgeschlossen  und der steirischen KPÖ jeder Einfluss auf die Entwicklung der Bundes-KPÖ verwehrt war.
Man hatte gesiegt. Zehn Jahre danach müssen sich die Sieger fragen, wohin sie dieser Sieg geführt hat.

 

 

 

 

 

 


Dokumentation:
Franz Stephan Parteder

26. 4. 2003
 

Über das Landesprogramm der steirischen KPÖ

Referat auf der ersten Sitzung des  32. Parteitages


Ich darf heute auf dem Parteitag der KPÖ unser steirisches Landesprogramm präsentieren. Es ist ursprünglich als Neufassung des Arbeitsbeschaffungsprogramms konzipiert worden. Sehr rasch hat sich bei uns aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir an die Fragestellung aber umfassender herangehen, Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung präzise analysieren und unsere Alternativen klarer herausarbeiten müssen.
Nach dem Beschluss des Landesprogramms auf unserer Landeskonferenz am 22. Oktober 2001 ist dieses Programm  zu einem Bestandteil der Programmdiskussion auf Bundesebene geworden. Es hat darüber einige Diskussionen mit der Mehrheit des Bundesvorstandes gegeben – bis zum jetzt vorliegenden Antrag des Bundesvorstandes der  KPÖ, dieses Programm gemeinsam mit den „Thesen“ der Programmkommission und anderen Dokumenten als eine der Grundlagen für die weitere Programmdiskussion vorzulegen.


Genossinnen und Genossen!

Kampfabstimmungen über programmatische Fragen hinterlassen immer ein ungutes Gefühl. Ich halte die jetzt gefundene Lösung, die wir schon seit einiger Zeit vorgeschlagen haben, für praktikabel. Wir haben damit Zeit für umfassende Diskussionen gewonnen. Vor allem, wenn die Organisationsform der Programmdebatte in Zukunft besser gelöst wird als in der ablaufenden Periode, sehe ich die Möglichkeit dafür, auch auf gesamtösterreichischer Ebene ein solides Programm zu erarbeiten.

Zur Vorgeschichte der „Thesen“ und zu ihrem Inhalt würde mir einiges einfallen – ich erspare mir aber diesmal die Kritik daran. Im Antrag des Landesvorstandes, den ihr bei Euren Unterlagen findet, sind wichtige Kritikpunkte aufgelistet. Ihr könnt sie dort nachlesen. Viel wichtiger ist es, hier und heute zeigen zu können, wofür wir SteirerInnen stehen, warum wir bestimmte Positionen einnehmen und was das mit unserem kommunistischen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein zu tun hat.

Am Anfang steht aber der Dank an jene GenossInnen und Genossen, die in monatelanger Arbeit unser Landesprogramm konzipiert, formuliert und in vielen Diskussionen auf den Prüfstand gestellt haben. An erster Stelle nenne ich dabei unseren Willi Gaisch. Er hat die Hauptlast dieser Arbeit getragen, Informationen gesammelt, formuliert und umformuliert, er war dabei unbequem gegen sich selbst und gegen andere, bis wir ein Ergebnis vorlegen konnten, das Hand und Fuß hat.
Der Dank gilt Werner Murgg, Uli Taberhofer, Renate Pacher, Hanno A. Wisiak und Clemens Perteneder für ihre Beiträge, er geht an den Landesvorstand der KPÖ-Steiermark, an die Begutachtungskommission und an die vielen Genossinnen und Genossen, auch aus anderen Bundesländern, die   uns wertvolle Anregungen gegeben haben, nicht zuletzt auf unserem gut besuchten Symposium „Eine Theorie für das tägliche Leben“ am 22. März in Graz.
Auch die kommunalpolitische Konferenz der KPÖ in Graz (November 2001) und der Beitrag auf der Diskussionsveranstaltung über kommunistische Identität am 15. März 2003 lassen sich in diesem Zusammenhang anführen.


Genossinnen und Genossen!

Wir kommen also – wie es so schön heißt – nicht mit leeren Händen zum Parteitag. Unser Landesprogramm ist der inhaltliche Beitrag, der zweite dürfte euch ja bekannt sein. Es ist dies unser Wahlerfolg in Graz. Er hat die Bedingungen, unter denen dieser Parteitag durchgeführt wird, verändert und sozusagen auch parteiintern neue Möglichkeiten geschaffen.

Einige Fragen drängen sich aber auf: Gibt es überhaupt einen inneren Zusammenhang zwischen Wahlerfolg und Landesprogramm? Wird hier nicht künstlich eine Verbindung konstruiert, die es in der Wirklichkeit so nicht gibt? Wäre der Erfolg in Graz nicht auch mit einer anderen programmatischen Orientierung auf gleiche Weise zu erzielen gewesen?
Das habe ich in den vergangenen Wochen oft gehört und gelesen. Eines ist wahr: Der Zusammenhang zwischen marxistischem Programm und erfolgreicher kommunalpolitischer Orientierung ist nicht so direkt und unvermittelt, wie man sich das oft wünschen würde. Selbst bei Annahme des Landesprogramms durch die Bundes-KPÖ wäre unsere wahlpolitische Durststrecke nicht von vornherein abgekürzt, rasche Erfolge wären nicht gesichert, auch eine Stärkung der Organisation wäre nicht automatisch garantiert.
Eine Gemeinsamkeit zwischen Landesprogramm und unserer Politik in Graz liegt aber auf der Hand. Es ist dies die Hartnäckigkeit, mit der wir an etwas festhalten, was wir als richtig erkannt haben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die verschiedensten Bundes-Parteiführungen unserem Ernst Kaltenegger die Hölle heiß gemacht haben, weil er sich nicht durch verschiedene, oft wechselnde zentrale Vorgaben von der Schwerpunkten Wohnen und „Helfen statt reden“ ablenken hat lassen. Diese Kritiker sind nach  dem Wahlerfolg vom 26. Jänner wohl endgültig verstummt.
Genauso wenig haben wir uns davon abhalten lassen, einer unserer Meinung nach fehlerhaften bzw. falschen Orientierung in programmatischen Fragen unsere Haltungen und unsere Positionen entgegenzusetzen. Das hat Wirkung gezeigt und dazu geführt, dass  bereits in  den Thesen Formulierungen aus dem Landesprogramm übernommen und einige Punkte, die wir besonders stark kritisiert haben, abgeschwächt worden sind. Nach dem Zurückziehen der „Thesen“ als Beschlussvorlage stellt das Papier „Wofür steht die KPÖ“ von Gen. Groß eine weitere Verbesserung dar, die wir registrieren, die uns aber nicht weit genug geht, eben weil wir hartnäckige Leute sind und die Dinge auf den Punkt bringen wollen.

Deshalb betonen wir im Landesprogramm die Rolle der Arbeiterklasse so stark. Warum? Die Kommunistische Partei sollte im Idealfall die Verbindung von wissenschaftlichem Sozialismus und Arbeiterbewegung sein. Und das ist kein Wunschdenken, sondern geht von der Stellung der Arbeiterklasse im System der Produktion und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung aus. Wenn man diese Erkenntnis zurücknimmt und unsere Partei zu einer Allerweltsbewegung macht, in der alle Unterdrückungsformen und Protestbewegungen gleichwertig behandelt werden, dann fällt man hinter Erkenntnisse zurück, die Marx und Engels bereits im Kommunistischen Manifest ausgesprochen haben, und entzieht unserer Partei als selbständiger politischer Formation der Arbeiterbewegung die Existenzgrundlage.
Wir können die Konflikte und die Entwicklungen in der Welt, in der wir leben, nicht begreifen, ohne den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung als Hauptwiderspruch zu definieren. Wer die nach wie vor vorhandenen Vergesellschaftungstendenzen des Kapitals verkennt, bringt sich selber um, wie der Schriftsteller Erwin Riess richtig feststellt. (VS 16/.4. 03).
Noch einmal: „Streitpunkt ist nicht, ob die ´menschliche Emanzipation´ ins Zentrum unserer Praxis und Theorie zu rücken sei; Streitpunkt ist, ob sie in einer sich verändernden Arbeiterklasse ein Subjekt findet. Streitpunkt sind also der Stellenwert und aktuelle Bedeutung von Grunderkenntnissen des Marxismus“.
Es ist auch wichtig, dass wir im Landesprogramm relativ ausführlich über kurzfristige (Aktionsprogramm), mittelfristige (neuer Typus von Sozialstaat) und über langfristige Perspektiven, den Sozialismus sprechen. Wenn wir davon ausgehen, dass es Alternativen zum Sozialabbau gibt, dann müssen wir sie vorlegen, wenn wir davon sprechen, dass eine andere Welt möglich ist, dann haben wir die Pflicht, auch zu sagen, wie wir KommunistInnen uns diese andere Welt vorstellen. Das tun wir in unserem Landesprogramm. Vielleicht wird dies darin nicht hundertprozentig perfekt gemacht, aber dieses Angebot zur weiteren Diskussion sollte angenommen werden.

Genossinnen und Genossen!

Ein anderer Punkt, auf den wir großen Wert legen, ist das Herausarbeiten der Rolle der Partei für die Arbeiterbewegung und für die Sache des gesellschaftlichen Fortschritts. Mit dem Ergebnis der Grazer Gemeinderatswahl haben wir den empirischen Beweis dafür angetreten, dass wir als selbständige und bündnisfähige Partei eine Zukunft haben können. Aus der Geschichte unserer Bewegung haben wir gelernt, dass ein falscher Avantgardebegriff schweren Schaden anrichten kann. Wir müssen in unserer Praxis die Lehren daraus ziehen. Eine klare Position dazu ist eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Führung einer auf Emanzipation der arbeitenden Menschen gerichteten Bewegung.

Zurückweisen eines falschen Avantgardedenkens und ideologische, organisatorische  sowie politische Selbstaufgabe sind aber zwei paar Schuhe. Die Kommunistische Partei darf nicht hinter Bewegungen und Moden hinterherlaufen, sie muss versuchen, die Entwicklung und die Bewegungsgesetze der Gesellschaft zu prognostizieren und zu beeinflussen. Ihre Existenzberechtigung zieht sie auch daraus, eine treibende Kraft in allen fortschrittlichen Bewegungen, in allen Klassenkämpfen zu sein. Es ist besser, wenn sie dies gemeinsam mit anderen sein kann, es sind aber auch Situationen möglich, in denen die KP notwendige Wahrheiten allein ausspricht.
Die Spontaneität der Massen erfordert eine Masse an Bewusstheit auf unserer Seite. Das gilt auch für unsere solidarische Teilnahme an der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung. Für uns KommunistInnen ist diese Bewegung aber eine der erfreulichsten Erscheinungen der letzten Zeit. Höchst unterschiedliche politische Kräfte haben sich hier zusammengefunden, um etwas für die eigenen Interessen zu unternehmen. Unser Ziel ist es, in der Arbeiterschaft Verständnis für die Ziele der Bewegungen gegen den Krieg und für eine andere Welt zu wecken und gleichzeitig in diesen Bewegungen dafür zu arbeiten, solche Kampfformen anzuwenden, die von den arbeitenden Menschen auch verstanden werden. Das Zusammenführen von „No Global“  mit der  Arbeiterbewegung kann zu einer neuen Qualität des gesellschaftlichen Widerstandes führen. Dabei sollten unsere Analysen und Vorschläge auch für viele Menschen, die zum ersten Mal aktiv geworden sind und versuchen, Strategien gegen Imperialismus und die Herrschaft der Finanzmärkte – wie sie das nennen – zu entwickeln, interessant sein. Und es ist auch wichtig, den TeilnehmerInnen dieser Bewegung unsere grundsätzliche Kritik an der EU nahe zu bringen.
In diesem Zusammenhang ein offenes Wort: Leo Gabriel, einer der Exponenten dieser Bewegung in Österreich, hat in der Wochenzeitung Volksstimme (2003-03-13) seine Meinung über unsere Programmdebatte zum besten gegeben. Dabei hat er sich lediglich auf „jene Teile der Kommunistischen Partei Österreichs, die jetzt die "Programmatischen Thesen" verfasst“ haben, positiv bezogen. Für ihn ist eine KPÖ, die den Thesen anhängt, aber nur mehr „ein wichtiges Ferment in diesem Prozess der Schaffung eines neuen politischen Subjekts, dem alle zivilgesellschaftlichen Bewegungen angehören, die sich gegen Neoliberalismus, Rassismus und Krieg stellen.“  Ob eine derartige KPÖ bei Wahlen erfolgreich sein würde, ist aus der Sicht von Leo Gabriel, der unserer Partei nicht angehört, nicht so wichtig, großzügig stellt er aber die Frage: „Wie können ihre AktivistInnen den "Programmatischen Thesen" treu bleiben, ohne bei den auf die lokale, regionale und nationale Interessenslage zugespitzten Wahlprozessen ins Hintertreffen zu gelangen?“ Er fragt auch, ob das Grazer Wahlergebnis ein Ausdruck für dieses Dilemma oder für dessen Lösung wäre.
Eine seltsame Fragestellung. Ich hoffe, dass sie in unseren Reihen nicht viel Anklang findet. Wir sind mehr als ein Ferment, wir sind die Kommunistische Partei Österreichs und wir lassen uns nicht von externen Beratern – und seien es so sympathische und aktive Menschen wie Leo Gabriel – vorschreiben, wer in unseren Reihen die guten „Thesen“-Kommunisten und wer die anderen, weniger guten, die Grazer Dilemma-Kommunisten sind. Da hört sich für mich der Spaß auf.

Die Grazer Wahl hat uns vor kein Dilemma gestellt. Ihr Ergebnis ist eine der Voraussetzungen für eine positive Arbeit unserer Partei. Wir machen unsere Arbeit in Graz und in der Steiermark, weil wir KommunistInnen sind, unsere Kommunalpolitik ist sachbezogen und grundsatztreu. Das hat sich  nicht zuletzt bei unserer Entscheidung in der Bürgermeisterfrage gezeigt. Mit uns ist auch auf kommunaler Ebene eine Politik des Sozialabbaus und der Privatisierungen nicht zu machen. Wir geben uns nicht in einer Regierung als linkes Feigenblatt für eine neoliberale Politik her, wie das – leider – die FKP in Frankreich und die PDS in Berlin getan haben. Unsere Analysen der gesellschaftlichen Zusammenhänge und der Rolle der Parteien in diesem System, wie wir sie in unserem Landesprogramm niedergelegt haben, waren uns bei der Entscheidungshilfe sehr nützlich.

Genossinnen und Genossen!

Es ist aus vielen Gründen sinnvoll, dass die Programmdiskussion in der KPÖ weitergeführt wird und dass das steirische Landesprogramm eine der Grundlagen dafür ist. Einer der Gründe dafür hängt direkt mit Graz zusammen. Wir müssen verallgemeinern, was unser Erfolg für unsere Gesamtpolitik bedeutet, wir müssen die Erfahrungen der Verbindung von parlamentarischer und Basisarbeit, von Partei und Gemeinderatsklub gründlich studieren. Und wir müssen begreifen, dass wir in Österreich in einer Situation sind, die sich – was die Stellung der KP in der Gesellschaft betrifft - grundlegend von der in anderen europäischen Ländern unterscheidet. Wir sind eine sehr kleine Partei, die  in der zweitgrößten Stadt eine sehr starke Position hat. Dort sind wir auch eine kleine Partei, aber eine  mit vielen Mandaten. Was wir in Graz tun oder lassen, wird österreichweit beobachtet. Ernst Kaltenegger ist der bekannteste Kommunist Österreichs geworden. Und das bedeutet: Man muss sich bei uns nicht daran gewöhnen – und hier zitiere ich noch einmal Erwin Riess – „dass radikale Linke lächerlich, wirkungslos und weltfremd zu sein haben“. Wir können gesamtösterreichisch programmatische, politische und organisatorische Schlussfolgerungen aus dieser für uns neuen Situation ziehen.

Die revolutionäre Arbeiterbewegung war immer dann erfolgreich, wenn es gelungen ist, vom Nachbeten irgendwelcher Formeln – seien es alte oder neue, modern wirkende – zur konkreten Analyse der konkreten Situation zu kommen.
In Österreich gibt es derzeit sehr große Möglichkeiten für unsere Partei, wenn wir auf der Höhe der Zeit sind und aus Erfahrungen lernen. Es geht darum, all jene zusammenzufassen, die unsere KPÖ als kommunistische Partei erhalten, entwickeln und erneuern wollen. Wir sehen sie als marxistische Partei der Vielfalt und als eine Partei des zielgerichteten Handelns.

Mit unserer Arbeit in Graz und in der Steiermark und mit unserem Landesprogramm wollen wir einen Beitrag leisten, damit es in Österreich auch in Zukunft eine Kommunistische Partei gibt, die diesen Namen verdient, die KPÖ!

Veröffentlicht: 7. September 2013