Die Weiblichkeitssteuer
Anita Strassers Serie "Gleichberechtigt im Jahr 2019?"
Nach jahrzehntelangem Kampf für Gleichberechtigung werden aktuell immer wieder Stimmen laut, die meinen, der Kampf sei nun zu Ende und die Gleichberechtigung bereits hergestellt. Ist das wirklich so?
Der Pinkaufschlag
Gesichtscremen und Shampoos mit blumigen Düften, Bodylotions mit Glitzerpartikeln und Rasierer in Pink, versehen mit Aufdrucken wie „For her“, „Speziell für Frauen entwickelt“ oder „Lady“ zieren die Produkte in Drogerieabteilungen. Geschlechtsspezifische Produkte alleine wären noch nicht schlimm, würden sie im Vergleich zu den „For men“-Produkten nicht zu deutlich höheren Preisen über die Ladentheke wandern. Schon lange haben Hersteller von Hygiene- und Schönheitsprodukten das Potential des Pinkaufschlags erkannt und nutzen diesen. Frauen sind es gewohnt, mehr zu bezahlen. Auch in Frisiersalons ist der Preis für eine Dienstleistung oft vom Geschlecht anstatt der Haarlänge oder dem tatsächlichen Aufwand/Produktverbrauch abhängig. Diese Ungerechtigkeiten müssen sich Frauen jedoch nicht gefallen lassen. Es steht ihnen frei Preise zu vergleichen, gänzlich auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu verzichten oder auf günstigere Unisex- oder „Männer“-Produkte zurückzugreifen. Nicht ganz so einfach ist der bewusste Boykott jedoch bei anderen, ungerechtfertigt teuren Produkten wie beispielsweise den Damenhygieneartikeln. Der in Österreich darauf angewandte Steuersatz sorgt mitunter für die hohen Preise.
Steuersätze in Österreich
Grundsätzlich gilt in Österreich der Normalsteuersatz von 20 Prozent. Für Waren, die der Grundversorgung oder dem Überleben dienen, gibt es ermäßigte Steuersätze von 10 bzw. 13 Prozent.
Der ermäßigte Steuersatz von 10 Prozent wird beispielsweise auf die meisten Lebensmittel, land- und forstwirtschaftliche Produkte, Bücher, Zeitungen, Personentransport, Wohnungsvermietungen und Medikamente angewandt.
Tampons, Binden und Co
Da Frauen sich nicht aussuchen können, ob sie die Monatsblutung bekommen möchten oder nicht, sollte man eigentlich meinen, dass Damenhygieneprodukte der Grundversorgung dienen und damit die Voraussetzungen für einen ermäßigten Steuersatz von 10 Prozent gegeben sind. Doch weit gefehlt. Aus heute nicht mehr schlüssig nachvollziehbaren Gründen unterliegen Tampons, Binden und Co in Österreich dem Normalsteuersatz von 20 Prozent.
Andere Länder, andere Steuersätze
Während unsere deutschen Nachbarn ebenfalls noch an ihrem Normalsteuersatz (Anmerkung: DE 19 Prozent) für Damenhygieneprodukte festhalten, nimmt in anderen Teilen der Welt das Bewusstsein für derartig ungerechte sexistische Gesetze und Regelungen zu. Langsam kommt Bewegung in die Sache: 2015 reduzierte beispielsweise Frankreich den Steuersatz von 20 auf 5,5 Prozent. Zuletzt hat Australien den Steuersatz von ursprünglich 10 Prozent komplett aufgehoben. Wie Australien handhaben das auch Irland, Kenia, Indien und Kanada. Dort sind Damenhygieneartikel gänzlich von Abgaben befreit.
Barack Obama brachte es auf den Punkt
2016 wurde der damalige Präsident der USA gefragt warum die Mehrzahl der amerikanischen Staaten Damenhygieneartikel mit Luxussteuersätzen belegt. Seine Antwort lautete:
"Keine Ahnung, ich glaube, weil dieses Gesetz von Männern gemacht wurde. Am besten sollten sich die Frauen da zusammentun und das in Angriff nehmen." - Eine Aussage, die ich so unterschreibe!
Anita Strasser
Veröffentlicht: 30. Mai 2019