„DOCH WER SAGT, DASS FRAUEN BESCHEIDEN SIND?“
Von Anne Rieger
„Aufgrund der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten habe ich mich dazu entschlossen, alle Förderungen im Frauenbereich zu evaluieren“ schreibt die Frauenstadträtin Martina Schröck am 2. 4. 2014.
Wäre das ein Bekenntnis zu einer verbesserten Situation für die Mädchen und Frauen in Graz und die Fraueneinrichtungen gewesen, hätten wir der Vizebürgermeisterin Realitätsnähe bescheinigt. Die Auswirkungen der Krise zeigen sich ganz deutlich in der Arbeit mit und für Frauen und Mädchen. Immer mehr Frauen kommen zu Beratung und Psychotherapie, weil sie Angst um den Arbeitsplatz, ihre Existenz haben oder schon arbeitslos geworden sind. Die Warteliste für Erstgespräche ist länger geworden. Die Frauenerwerbslosigkeit ist angestiegen, die Teilzeitquote nach wie vor hoch, das Einkommen von Frauen liegt im Durchschnitt bei 61 % desjenigen der Männer, Gewalt gegenüber Frauen nimmt zu. In Österreich erlebt jede dritte bis vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt. Drei von vier Frauen (72,4 Prozent) sind von sexueller Belästigung und sexueller Gewalt betroffen. Das sind nur einige Indikatoren, die darauf schließen lassen, dass mehr für Frauen und Mädchen getan werden muss.
Seit aber im Sommer vergangenen Jahres die Evaluierung der Fraueneinrichtungen durch die Frauenstadträtin verkündet und begonnen wurde, zittern Frauen und Fraueneinrichtungen um ihre Förderung bzw. um deren Höhe. Keine Einrichtung rechnet mit mehr Unterstützung.
Niemand hat etwas dagegen, dass mit öffentlichen Geldern sorgsam und transparent umgegangen wird. Indessen liegen Kürzungen und Streichungen in der Luft, seit die neoliberalen Landeshauptleute Voves und Schützenhöfer vor drei Jahren mit ihrer 25%igen Kürzungsorgie bei Behinderten, im Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- und Sozialbereich begonnen haben. Dass jetzt in der Stadtregierung von Graz bei den Frauen weitergemacht werden soll, empört uns Frauen. Aber die Indizien, dass es sich auch hier um den Beginn eines flächendeckenden Angriffs auf erkämpfte feministische Errungenschaften handelt, verdichten sich:
Ende 2013 schließt das Doku Graz nach 24 Jahren wegen Mangel an Geld. „Die fortlaufende Reduktion der Basisförderungen hat dazu geführt, dass der Kampf um die Finanzierung weit mehr Raum eingenommen hat als die inhaltliche Arbeit – ein auf Dauer unbefriedigender Zustand“ schreiben die Frauen des Doku zum Abschied.
2014 wird es etwa 9 Monate lang keine Unanhängige Frauenbeauftragte geben, Grund: Evaluierung. „Es geht um eine Gegenüberstellung von Angeboten, aktuellen frauenpolitischen Herausforderungen und die faire und den Anforderungen entsprechende Verteilung der Förderungen“, schreibt Schröck .
2014 wird dem Frauengesundheitszentrum der Vertrag gekündigt, Grund: "Wir konnten uns die laufende Indexierung des Vertrages nicht mehr leisten", heißt es von einer Sprecherin der Stadträtin, "die frisst uns das Budget auf". Alle anderen Vereine bekämen nur Förderungen, die jedes Jahr neu vereinbart werden.
Offensichtlich geht es nicht um einzelne Einrichtungen, vielmehr soll hier der Spaltpilz gesetzt werden, wenn von fairer Verteilung gesprochen wird und auf andere Vereine verwiesen wird. Wenn wir uns nicht gemeinsam wehren, aktuell Betroffene und noch nicht Betroffene, stehen wir vor dem Beginn eines frauenpolitischen Rollbacks in Graz.
Erinnern wir uns, wie mühsam der Fortschritt erkämpft wurde:
Erst 1974 wurde die Fristenlösung eingeführt,
Erst 1975 konnte der Ehemann der Frau nicht mehr die Berufstätigkeit verbieten
1986 begann die feministische Tradition in Graz: Als erste Stadt in Österreich ermöglichte Graz eine Unabhängige Frauenbeauftragte (UFB), die weisungsfrei war.
Am 18. Februar 1987 fand in Anwesenheit von zweiundzwanzig Frauen aus achtzehn Fraueninitiativen (zwölf autonome, zwei kirchliche, vier politische Gruppen), einberufen durch die Frauenbeauftragte der Stadt Graz, Grete Schurz, die konstituierende Sitzung des Grazer Frauenrates statt.
1989 wurde das Frauendokumentationszentrum in Graz gegründet.
1993 wurde das Frauengesundheitszentrum in Graz gegründet. Allein die Frauen dieser Einrichtung haben während der letzten 20 Jahre 30 Projekte und 3000 Veranstaltungen durchgeführt und mehr als 150.000 Frauen, Mädchen und Multiplikatorinnen beraten, begleitet, fortgebildet und gestärkt.
Nun, gerade in Zeiten der Krise bei der Unterstützung zu kürzen, bedeutet persönliches Leid für die betroffenen Frauen und ihre Familien - und bringt letztlich Folgekosten für die Gesellschaft, für die Stadt.
Was wir brauchen, ist eine verbesserte Situation für die Mädchen und Frauen in Graz und die damit befassten Fraueneinrichtungen. Wir brauchen eine Willenserklärung des Frauenrates, die sich an alle StadtregiererInnen und Parteien richtet. Diese sollen ein gemeinsames Bekenntnis für eine verbesserte Situation für die Mädchen und Frauen in Graz und die damit befassten Fraueneinrichtungen abgeben. Das Budget für Fraueneinrichtungen beträgt nur etwa 0,1 Prozent des Stadtbudgets. Der gekündigte Vertrag des Frauengesundheitszentrums muss für alle Fraueneinrichtungen Vorbild sein. Förderverträge mit Fraueneinrichtungen müssen dauerhaft sein und eine Indexanpassung – quasi die Antwort auf die laufend steigenden Kosten für Miete, Personal und mehr – inkludieren.
Wer glaubt, wir seien verrückt, dem sagen wir mit Johanna Dohnal: „DOCH WER SAGT, DASS FRAUEN BESCHEIDEN SIND?“
Geld ist genug da, nur in den falschen Händen. Wo 18 Mrd. Euro an die Anteilseigner der Hypo Alpe Adria verteilt werden können, da gibt es genug für Fraueneinrichtungen, durch deren Arbeit noch niemand reich geworden ist.
Veröffentlicht: 11. Februar 2015