„Wir wollen eine nützliche Partei für die Menschen sein“
Überlastung, Erschöpfung, Burnout: Viele Menschen wissen aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn nichts mehr geht – auch unsere KPÖ-Klubobfrau im Landtag, Claudia Klimt-Weithaler. Im Frühsommer ist sie nach langer Unterbrechung ins Landhaus zurückgekehrt.
Liebe Claudia, das Wichtigste zuerst: Wie geht es dir?
Danke, es geht mir wieder gut und ich bin sehr dankbar, dass ich das sagen kann.
Du sprichst sehr offen über dein Burnout. Warum ist dir das wichtig?
Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich zu einer Enttabuisierung beitragen will. Sehr viele Menschen wissen, was es heißt, ausgebrannt zu sein, wir als Gesellschaft aber sprechen darüber viel zu wenig. Das müssen wir ändern, damit Psychische Gesundheit endlich den Stellenwert bekommt, den es verdient. Unser Gesundheitssystem ist in diesem Bereich noch viel zu schlecht ausgebaut.
Inwiefern?
Die Pandemie und diese kapitalistische „Leistungsgesellschaft“, in der wir leben, haben bei sehr vielen Menschen tiefen Spuren hinterlassen. Aktuell brauchen viele aufgrund von Erschöpfung Therapie. Wenn man um therapeutische Hilfe auf Krankenschein ansucht, braucht man aber sehr viel Geduld. Bei privaten PsychotherapeutInnen übernimmt die Kasse nur einen Teil der Kosten. Dafür muss man aber die komplette Rechnung schon vorab bezahlt haben. So wird psychische Gesundheit zu etwas, das man sich leisten können muss. Diese Zwei-Klassen-Medizin gehört endlich abgeschafft!
Ein weiteres Problem: Nach einem Burnout wird eine Reha medizinisch empfohlen. Ich habe auch um eine Reha angesucht. Die Wartezeiten auf einen Platz betragen aber bis zu einem Jahr! Hier braucht es einfach viel mehr Kapazitäten.
Lässt sich dieser Befund nicht auf das gesamte Gesundheitswesen umlegen?
Ich erinnere mich noch an Zeiten, da waren viele Menschen stolz auf unser Gesundheitssystem. Aber die Sicherheit, dass man bestmöglich versorgt wird, wenn man Hilfe braucht, ist längst gewichen. Heute liest man fast täglich von Personalengpässen, Bettensperren und Abteilungsschließungen. Operationen werden immer wieder verschoben, die Wartezeiten sind lang. Am Land fehlen ÄrztInnen, in den Städten Pflegekräfte. Viele dieser Probleme sind hausgemacht. Die Landesregierung hält leider stur an ihrem „Regionalem Strukturplan Gesundheit“, also an Zusperr- und Einsparplänen fest. Dabei warnen ExpertInnen und Beschäftigte seit Jahren vor dramatischen Versorgungsengpässen, sollte der nötige Kurswechsel ausbleiben.
Das steirische Gesundheitssystem ist aber nicht das einzige Sorgenkind. Womit wir schon beim nächsten Thema wären: der elementaren Bildung. Da hat sich während deiner Abwesenheit ja einiges getan.
Allerdings. Ich war ja früher selbst als Elementarpädagogin beruflich in Kindergärten und Krippen tätig. Darum hat mich die letzte „Reform“ der Landesregierung besonders aufgeregt. Aber zuerst ein paar lobende Worte: Dass mit der schrittweisen Senkung der Gruppengröße und der Sozialstaffel in den Kinderkrippen gleich zwei langjährige KPÖ-Forderungen umgesetzt werden, freut mich natürlich. Was in Wahrheit aber ein Skandal ist, ist die neue Vertretungsregel: Künftig dürfen zwei nicht näher definierte „geeignete Aufsichtspersonen“ bis zu sechs Wochen lang eine Kindergartengruppe leiten, ohne eine einzige ausgebildete Fachkraft im Haus.
Ich finde, dass die Landesregierung besser beraten wäre, stattdessen endlich die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung massiv zu verbessern. Das hilft nämlich nachhaltig gegen den Personalmangel in den Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen!
Höhere Löhne und Gehälter wären ja auch wichtig, um die Folgen der massiven Teuerung abzufedern.
Genau! Das ist ja generell ein riesiges Problem, dass die Lohn- und Gehaltserhöhungen nicht mit der Inflation Schritt halten. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen trotz Arbeit das Leben kaum noch leisten können! Dazu kommt ja auch noch, dass die Bundesregierung dringend nötige Maßnahmen wie einen Mietendeckel für alle Wohnungen und amtliche Preisregelungen bei Energie und Lebensmitteln einfach nicht umsetzt. Die ÖVP schützt wieder einmal lieber die Überprofite der großen Konzerne statt die Existenzen hunderttausender Menschen, die die Rekordpreise im Supermarkt, an der Tankstelle und bei der Energieabrechnung nicht mehr stemmen können.
Wie schätzt du die Arbeit der Landesregierung ein, was die Teuerungsbewältigung angeht?
Sehr durchwachsen wäre die diplomatische Antwort. Ich sehe es wirklich nicht ein, warum die Parteienförderung jedes Jahr automatisch an die Inflation angepasst wird, die steirischen Sozialleistungen aber nicht.
Ein Negativbeispiel ist die Wohnunterstützung: Die hat die Landesregierung kürzlich nach 12 Jahren Untätigkeit moderat angehoben und will das den Leuten als großen Wurf verkaufen. Was man aber wissen muss: Selbst nach der „Erhöhung“ liegt das Niveau der Wohnunterstützung fast 6 % unter dem von 2011, obwohl die Mieten seither um fast 50 % gestiegen sind! Mit solchen Augenauswischereien wird da gearbeitet.
Welchen Stellenwert Soziales für die Landesregierung hat, sieht man auch daran, wie oft der zuständige Unterausschuss Soziales einberufen wird: Das war das letzte Mal im Februar 2022, also vor fast eineinhalb Jahren der Fall – und das in Zeiten wie diesen, wo eine schwere Teuerungskrise großen Teile der Bevölkerung zusetzt.
Woran liegt das? Ist die Politik zu weit weg von den Menschen?
Ich will das gar niemandem persönlich vorwerfen, aber wenn man als Politiker ein Vielfaches dessen verdient, womit der Großteil der Bevölkerung auskommen muss, kann man die alltäglichen Probleme der Leute einfach nicht kennen. Ich erinnere mich noch gut an ein Interview, in dem sich Landeshauptmann Drexler, Bruttomonatsgehalt 18.750 Euro, „gefühlsmäßig“ zum Mittelstand gezählt hat. Dass sich da immer mehr Menschen abwenden und sagen, dass die Politik abgehoben ist, wundert mich nicht.
Wie handhabst du das mit deinem Politikergehalt?
Bei uns in der KPÖ gibt es schon seit langem eine Gehaltsobergrenze. Als Klubobfrau im Landtag verdiene ich 12.340 Euro brutto, davon behalte ich mir 2.500 Euro. Der Rest meines Gehalts kommt Menschen in Notlagen zugute. Das machen alle kommunistischen MandatarInnen so, weil wir uns mit unseren Gehältern nicht vom Rest der Bevölkerung abheben wollen. Seit 1998 sind auf diesem Weg schon gut drei Millionen Euro zusammengekommen, mit denen wir SteirerInnen, die es dringend gebraucht haben, rasch und unbürokratisch helfen konnten. So versuchen wir, unsere Idee einer gerechteren Gesellschaft schon ganz konkret im Kleinen umzusetzen und nicht nur große Reden zu schwingen, sondern im Alltag der Menschen eine nützliche Partei zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch, liebe Claudia!
Veröffentlicht: 20. Juli 2023