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EU-Wahl: Zum Abschneiden der fortschrittlichen Kräfte

Kommentar von Andres Wehr (Junge Welt)

Stärkere Linke
Wahl zum Europäischen Parlament. Gastkommentar
Von Andreas Wehr
Wie oft ist in der Krise gefragt worden: Wo bleibt die Linke in Europa? Jetzt, nach den Wahlen kann gesagt werden: Hier ist sie! Es gibt sie nicht nur noch, sie wird künftig in Brüssel und Straßburg sogar stärker sein. Ob in Griechenland, wo Syriza stärkste Partei wurde und sich die Kommunisten behaupten konnten, oder in Spanien und Portugal, wo die Vereinigte Linke bzw. die Kommunistische Partei zweistellige Ergebnisse erzielten, überall konnte sie zulegen. Zu den Gewinnern zählt sie auch in den Niederlanden, in Irland, Schweden, Dänemark und in Finnland. In den Niederlanden und in Irland wurde sie sogar stärker als die Sozialdemokratie! Umfaßte die linke Fraktion im Europäischen Parlament bisher 35 Abgeordnete, so wird sie künftig 40 bis 45 Mandate haben. Von einem Verschwinden der Linken in Europa kann also keine Rede sein.

Doch nicht überall lief es gut. Die deutsche Linkspartei stagnierte und verlor sogar einen ihrer acht Sitze. Erstmals nach ihrem Einzug ins Europäische Parlament 1999 schrumpfte sie. Enttäuschend auch das Ergebnis des Front de Gauche in Frankreich mit nur gut 6,5 Prozent. In Italien bleibt es bei der Schwäche der ehemals so einflußreichen kommunistischen Bewegung.

Es fällt auf, daß es vor allem die Kernparteien der Europäischen Linkspartei sind, die vom Aufwärts­trend nicht profitieren. Es sind jene, die als Antwort auf die Krise für ein »mehr an Europa« eintreten und die hinter der illusionären Forderung nach einem »sozialen, demokratischen und ökologischen Europa« stehen. Gemeinsam ist ihnen die Warnung vor einem »Rückfall in die Nationalstaatlichkeit«. Doch mit diesen Positionen hatte man dem Front National, der Bewegung 5 Sterne in Italien und der AfD wenig entgegenzusetzen. Und so gab auch die Linkspartei reichlich Stimmen an die AfD ab, mehr als die FDP!

Anders bei den Gewinnern unter den europäischen Linken. Im Süden bekannten sich Kommunisten und Linkssozialisten selbstbewußt zu Klassenkampf und Nation. Auch in Dänemark, Schweden, Finnland, Irland und in den Niederlanden, in jenen Parteien, die in der linken Fraktion die »Nordisch Grüne Linke« bilden, hatte man kein Problem damit, sich zu Verteidigern der von Brüssel und Berlin bedrängten Souveränitätsrechte zu machen. Die niederländische Sozialistische Partei führte ihren Wahlkampf unter der Parole »Nein zu dieser EU«. Damit konnte sie die Sozialdemokratie überholen und zugleich den Rassisten Geert Wilders in die Schranken weisen.

Diese unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Wahlergebnisse führen zu Änderungen im Kräfteverhältnis innerhalb der linken Fraktion. Es wird künftig dort mehr nordisch grüne Linke als auch Kommunisten geben. Die neue Fraktion wird europakritischer und linker sein.

Andreas Wehr veröffentlichte 2013 im PapyRossa-Verlag das Buch »Der europäische Traum und die Wirklichkeit – Über Habermas, Rifkin, Cohn-Bendit, Beck und die anderen« (www.andreas-wehr.eu)

Junge Welt, 27. 5. 2014

Veröffentlicht: 27. Mai 2014

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