Gender-Pay-Gap ist größer als bisher dargestellt
Kurz vor dem Equal-Pay-Day tauchten in diversen Medien Argumentationen auf, der Gender-Pay-Gap sei gar nicht so groß wie immer dargestellt.
Der so genannte Gender-Pay-Gap – also die Differenz zwischen dem Einkommensmeridian eines Mannes und einer Frau – sei gar nicht so groß wie immer dargestellt, argumentieren verschiedene Medien. Die Zahlen, die immerhin vom Bundesamt für Statistik berechnet werden, wurden als „Fake-News“ diffamiert – und „Jammerei von Emanzen“ abgetan.
Wir haben uns im KPÖ Frauenarbeitskreis Steiermark daraufhin mit den Argumenten der Artikel auseinandergesetzt, die für eine Bereinigung des Gender-Pay-Gaps von 21 % (bzw. in der Steiermark 22,9 %) auf 6 % bzw. sogar 2 % plädieren. Schnell ließ sich erkennen, dass der in sozialen Medien viral verbreitete „Fake-News“-Vorwurf nicht tragbar und daher als klar antifeministische Agitation zu werten ist. Zu den neu berechneten Zahlen, die als so genannte "Schulz-Lüge" ins Spiel gebracht wurde, um dem deutschen SPD-Kanzlerkandidaten unseriöse Argumentation zu unterstellen, gab es sogar in der nicht gerade als links geltenden Zeitung „Die Zeit“, die ursprünglich in den „Fake-News“-Kanon eingestiegen war, eine erklärende Replik. Darin wurde deutlich dargestellt, dass diese Bereinigung total neoliberal und darüber hinaus soziologisch nicht tragbar ist.
Der in einem Artikel des sonst oft durchaus feministsch argumentierenden Mediums Telepolis gebrachte Vorwurf, diese Zahlen des Bundesamtes für Statistik würden dazu eingesetzt werden, dass die soziale Ungleichheit erhöht wird, ist ein Ausspielen wichtiger Anliegen gegeneinander wie wir es derzeit von der rechtskonservativen Politik in allen Bereichen kennen. Dabei ist es keine Alternative, vom Gender-Pay-Gap zu schweigen, also von an Geschlechtern festgemachten Ungerechtigkeit, zu schweigen, nur weil in der unterschiedlichen Bezahlung nach wie vor der ökonomische Hintergrund der Herkunft eine große Rolle spielt und weil es, was selten erwähnt wird, genau so einen Migration-Pay-Gap gibt, von dem Frauen mit Migrationshintergrund doppelt betroffen sind. Dazu ist es zu wichtig, gegen all diese Ungerechtigkeiten in einem sozialen Miteinander anzukämpfen. Und, keine Frage, atürlich wäre es untragbar, Männergehälter auf die von Frauen zu senken und auch Aktionen, wie die Forderung nach höheren Fahrpreise für Männer sind Unsinn – wobei diese natürlich allesamt symbolischer Natur waren und in ihrem Sarkasmus vom Autor offensichtlich nicht so gelesen werden wollten oder konnten.
Trotzdem kann ein Gehaltsunterschied nicht, wie in dem angebrachten Artikel, als "künstlich höher beziffert" bezeichnet werden. Denn das hieße, so zu tun, als würden Frauen freiwillig schlechtere Bezahlung und/oder längere Kindererziehungszeiten in Kauf nehmen. Dass etwa Frauen häufiger in prekär bezahlten Branchen wie im Pflege- oder Sozialbereich arbeiten, liegt daran, dass sie von Kind an so sozialisiert werden, dass Frauen in eben diesen Bereichen besser seien. Dass diese Berufe schlechter bezahlt werden, liegt in der Umkehrung mit Sicherheit daran, dass sie seit jeher den Frauen zugeschriebenen und immer schon nicht oder nur prekär bezahlten Care-Arbeiten zugeordnet sind. Ausserdem wurden, und das ist nicht unwesentlich, Mädchen von Frauen von jeher dazu erzogen, Ungerechtigkeiten wie diese in Demut hinzunehmen anstatt sich „unsittlicherweise“ dagegen aufzulehnen. Und während Mädchen nachweislich in den ersten Schuljahren nicht schlechter in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern sind, wird ihnen eine Begeisterung dafür aber während ihrer Schulzeit so nachhaltig ausgetrieben, dass sie dann später eben nicht in gut bezahlten technischen Berufen arbeiten wollen. Auch dass sie z.B. Jobs im Supermarkt annehmen anstatt in der Industrie, liegt nicht selten daran, dass gerade am Land oft der Mann das Familienauto für die Fahrt zur Arbeit in Anspruch nimmt und die Frau nehmen muss, was nah erreichbar und eventuell noch mit unzureichenden Kinderbetreuungsangeboten kombinierbar ist. Dass Frauen weit weniger häufig gut bezahlte Jobs im Management annehmen, liegt nicht unwesentlich daran, dass sie dem familiären und gesellschaftlichen Druck, als Rabenmutter zu gelten, nicht standhalten wollen oder können – oder vielleicht auch schlichtweg daran, dass sie schlau genug sind, um auf geforderte Arbeitszeiten von 60 Stunden und mehr zu pfeiffen. Und, und und…
Als Fake-News kann eine Zahl von 21 bzw. 22,9 % dennoch bezeichnet werden. Denn nicht mit eingerechnet ist hierin, dass selbst Frauen in Vollbeschäftigungsverhältnissen 80 - 90 % der unbezahlten Haus- und Familienarbeit übernehmen. Würden diese Arbeiten in eine Gesamtheit an real geleisteter Arbeitszeit mit einberechnet, dann kämen Gehaltsunterschiede von beinahe 60 % heraus. Wir vom Frauenarbeitskreis haben daher beschlossen, auch unbezahlte Reproduktionsarbeit an diesem Equal-Pay-Day zu thematisieren. Nicht jedoch, um uns rechtskonservativen Forderungen nach bezahlter Hausfrauenarbeit oder Müttergehalt anzuschließen, sondern, um mehr staatliche Leistungen für Kinderbetreuungseinrichtungen und professionelle Pflege von alten und kranken Menschen zu fordern und eine gerechte Halbe-Halbe-Aufteilung von unbezahlter Familienarbeit zwischen Frauen und Männern. Dazu braucht es kurze Vollzeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Denn Reproduktionsarbeit ist keine Frauenarbeit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!
Christine Braunersreuther für den KPÖ Frauenarbeitskreis Steiermark
Veröffentlicht: 15. Dezember 2017