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„Generalangriff auf die Infrastruktur“

Budgetrede von KPÖ-LAbg. Werner Murgg

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Anstieg der Staatsverschuldung Österreichs in Prozent des BIP

Eine Budgetrede ist auch dazu da, über den Tellerrand zu blicken. Schauen wir zurück: Um 1973/74 setzte ein neues Regime der Kapitalverwertung ein, der Keynesianismus war beendet. Eine gleichzeitige Erhöhung von Masseneinkommen und Profiten ließ sich nicht länger realisieren. Warum? Die Produktivität stieg schneller als die Ausweitung der Produktion. Es setzte sich nahezu weltweit der Neoliberalismus durch. Das bedeutet, dem Verfall der Kapitalrenditen in der sogenannten „Realwirtschaft“ durch ein Ausweichen in die Finanzsphäre entgegenzuwirken. Das führte zu einer riesigen Aufblähung der Geldvermögens (Aktien, kurz Finanzanlegen verschiedenster Formen). 2007 ff. platzte diese weltweite Vermögensblase. Die Welt war an einem Punkt angelangt, wo sich zu riesigen Warenbergen, die keine Käufer fanden, Berge von Kapital gesellten, die kaum mehr Anlagemöglichkeiten fanden. Statt die Blase gezielt zu entwerten, wurde sie mit neuem Geld künstlich am Leben erhalten. Die Staaten retteten das Kapital mit dem Geld der Lohnsteuerzahler quasi durch die Krise. Das verursachte gewaltige Kosten. Die Staatsschulden sämtlicher Industrienationen schossen in die Höhe.

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Zinsausgaben in Prozent der Gesamtausgaben (Salzburg 1%, Steiermark ohne ausgegliederte Gesellschaften 1,4 %, Wien 1,5 %, Steiermark mit a.G. 2%, Deutschland 10,4 %, Österreich 11%)

Die Euro-Staaten gerieten in eine „Doppelmühle“. Einerseits stiegen durch Banken- und Konzernrettungspakete die Staatsschulden immens. Andererseits fiel die Peripherie wegen mangelnder Produktivität hinter das Zentrum zurück; im Euro war eine Abwertung nicht mehr möglich. Staatsbankrotte kündigten sich an. Von den Konzern-Eliten der EU wurden neue Finanzinstrumente (EFSF/ESM) und einzelstaatlich durchzusetzende Maßnahmen ersonnen, um dem Ausscheren einzelner Staaten aus dem Euro zu begegnen: Stabilitätspakt, Fiskalpakt, Schuldenbremse: alles Dinge, die dem neoliberalen Diktat der ausgabenseitigen Budgetsanierung untergeordnet sind. Nach dem innerösterreichischen Stabilitätspakt müssen die Bundesländer ab 2016 Überschüsse erwirtschaften. Darin und in den oben genannten Pakten und Bremsen liegt die Ursache des restriktiven ausgabenseitigen Sparkurses unseres Bundeslandes, der mit dem Doppelbudget 2011/12 einsetzte. Die Ursache liegt nicht in einem angeblich drohenden Bankrott der Steiermark aufgrund nicht mehr bewältigbarer Zinslasten, wie uns immer wieder vorgegaukelt wird.

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Aufbringung der Ertragsanteile nach Steuerarten 31 % Ust., 30% Lohnsteuer, 6,2 % Köst., 6 % Möst., 4,2% Einkommenssteuer, 3% Kapitalertragssteuer; zwei Drittel werden aus Massensteuern gespeist.

Es gibt zwei Wege Schulden zu reduzieren:


•    Ausgabenseitig: Das trifft die Masse der Bevölkerung, indem Leistungen und Infrastruktur zurückgefahren werden; das Rezept der SPÖ/ÖVP-Reformpartner
•    Erschließen neuer Einnahmen: Das wäre dringend geboten. Mir ist klar, dass Landesabgaben nur 1,6 % der Gesamteinnahmen betragen. Dadurch kann das Budget nicht entlastet werden.


Aber selbst diese bescheidenen Möglichkeiten werden nicht genutzt. Während breiten Bevölkerungsschichten Leistungen gestrichen werden, verzichten SPÖ und ÖVP auf eine auch nur moderate Besteuerung der Unternehmen. Eine von diesen zu entrichtende Nahverkehrsabgabe könnte bis zu 30 Millionen Euro bringen. Sie verzichten auf eine von Schotterbaronen einzuhebende Schottersteuer oder auf eine von Handelsketten zu bezahlende Bodenversiegelungsabgabe (Stellplatzabgabe). Wichtigste Einnahmequelle bleiben die Ertragsanteile an Bundessteuern.

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Entwicklung des Geldvermögens und der Staatsschulden in Österreich seit 1980.

Würde die Kapitalseite so besteuert wie Löhne, Gehälter und Umsatz, das Steueraufkommen würde – ohne Kaufkraftverlust – um mehrere zehn Prozent steigen. Finanzlandesrätin Bettina Vollath sagt: „Die Ursache der steigenden Neuverschuldung ist darin zu sehen, dass der Zuwachs der Einnahmen nicht mit dem Ausgabenwachstum Schritt hält.“ Richtig, der Finanzausgleich blendet eine potentielle Einnahmequelle nahezu aus. Deshalb werden wir einen Antrag einbringen, an die Bundesregierung heranzutreten, das Steueraufkommen zu Lasten der Kapitalsteuern zu verschieben. Es ist höchste Zeit hier gegenzusteuern, wie man am nächsten Bild erkennt.

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Kennzahlen der ATX-Unternehmen 2002-2010 (Dividendenausschüttung plus 419%, Gewinne plus 247%). Allein 2011 haben ATX-Unternehmen 2,1 Mrd. Euro Dividenden ausgeschüttet.

Bei 500 Mrd. Euro Geldvermögen betragen die Staatsschulden 206 Mrd. Beide steigen seit 1980 im Gleichklang. Die Staatsschulden sind aber nicht die Ersparnisse der(!) Österreicher, wie uns gerne weis zu machen versucht wird, im Gegenteil: 1% besitzen ca. 150 Mrd. Euro, das sind 73 % der Staatsschulden. Hier wäre ein Haircut dringend von Nöten! Aber auch die Konzerngewinne explodieren seit 2002 – trotz Krise.

Zum Einmaleins einer fortschrittlichen Reduzierung der Verschuldung gehört das Antasten dieser riesigen Gewinne und Vermögen. ÖVP und SPÖ in der Steiermark schaffen nicht einmal eine läppische Besteuerung der Unternehmen zur Finanzierung des Nahverkehrs, dessen Ausbau ohnehin wieder den Unternehmungen zu Gute käme. Statt Kapital effektiv zu besteuern, wird es noch gemästet, aus Massensteuern wohlgemerkt. Die österreichischen Bankenrettungspakete haben, ohne Haftungen, 6 Mrd. Euro gekostet. 2,2 Mrd. wurden in den ESM eingezahlt, bei Haftungen von 17,3 Mrd. 8,2 Mrd. Euro; Geld, das dazu dient in Griechenland ausländische Privatbanken zu retten und weltweit das Finanzcasino aufrechtzuerhalten. Der österreichische Staat hätte zumindest ein vorübergehendes Zinsmoratorium für Schulden der öffentlichen Hand als eine Bedingung für die Gewährung der Bankenrettungspakete machen sollen. Ich sage: statt 8,2 Mrd. für das Finanzkapital, ein 8,2 Mrd. Länder- und Gemeindeinvestitionspaket. Dann wäre das Geld dort angekommen, wo es gebraucht wird.

ÖVP-Klubobmann Drexler behauptet immer wieder, es gäbe keine Kürzungen im Sozialbereich. Das Kapitel 4 (Soziale Wohlfahrt) geht von 2,24 Mrd. Euro im Doppelbudget 2011/12  auf 2,14 Mrd. im Budget 2013/14 zurück. Auch anderswo wird deutlich gekürzt:
•    Berufsbildende Pflichtschulen: von 143 auf 125,5 Mill.
•    Berufsbildende mittlere Schulen: von 125,1 Millionen auf 93,6 Mill.
•    Kindergärten: von 241,3 Mill. Auf 216,6 Mill.
All das sind für viele Steirerinnen und Steirer konkret spürbare Verschlechterungen.

30 Volksschulen wurden bereits geschlossen, es gab Nullohnrunden für die Landesbediensteten, Landesrätin Edlinger-Ploder kündigt im Gesundheitsbereich Einsparungen von 780 Millionen Euro bis 2014 an. Sie nennt das euphemistisch „Ausgabendämpfung“. Diese Ausgabendämpfung bedeutet ein Niederfahren der medizinischen Versorgung in vielen Teilen der Steiermark, indem zahlreiche Abteilungen, ja ganze Spitäler, geschlossen werden: Hörgas-Enzenbach, Chirurgien, interne Abteilungen, gynäkologische Abteilungen und ein gewaltiger Bettenabbau, welcher die Wartezeiten bei Operationen für Nicht-Kasse-Patienten weiter verlängern wird. Ähnlich bei der stationären Pflege: Edlinger-Ploder: „Der Regress deckt nur 2% der Kosten. Er ist aber eine pädagogische Maßnahme.“ Schöne Pädagogik: In vielen Familien werden alte Menschen wieder zunehmend unter teils enormen Belastungen, vielfach von Frauen, zu Hause gepflegt, weil der Regress die Familienbudgets belastet. Schließlich die Wohnbeihilfe: Ja, die Ausgaben zu deren Finanzierung steigen im Budget. Von 70 Mill. 2011/12 (bei einem realistischen Ansatz) auf 99 Mill. 2013/14. Und das, obwohl für den einzelnen Bezieher die Beihilfe deutlich gesenkt wurde.

Vor dem Doppelbudget 2011/12 konnte man in einer Tageszeitung Stellungnahmen der Landessozialreferenten zu ihren Sozialbudgets lesen. Ich darf einige zitieren: Niederösterreich: „Gröbere Einschnitte sind nicht geplant…die Frage des Regresses…ist nicht akut.“ – Burgenland: „Der Sozialbereich ist ausdrücklich vom Sparpaket ausgenommen…An eine Wiedereinführung des Regresses ist nicht gedacht.“ – Salzburg: „Es kam zu Einsparungen, allerdings nicht im Sozialbereich…Regresszahlungen wird es in Salzburg nicht geben.“
Tirol: „Einsparungen wie in der Steiermark sind in Tirol nicht geplant.“ – Oberösterreich: Josef Ackerl (SPÖ): „Ins System muss mehr Geld. Die Sozialdemokratie ist da zu defensiv…Wenn’s ums Überleben geht, muss ich dort sparen, wo’s nicht ums Überleben geht, bei der gehobenen Schicht.“ – Wien: Hier stieg das Sozialbudget von 2009 auf 2011von 1,06 auf 1,2 Mrd. Euro.

Landesrat Christian Buchmann (ÖVP) sagt immer: „Ich bin dagegen, mit neuen Abgaben den Menschen in die Tasche zu greifen.“ Genau das macht die SPÖ/ÖVP-Regierung jedoch. Indem sie den Gratiskindergarten abgeschafft hat, greift sie den Eltern in die Tasche, weil diese jetzt für den Kindergarten zahlen müssen. Indem sie die Wohnbeihilfe gekürzt hat, greift sie den Mieterinnen und Mietern in die Tasche, weil diese jetzt einen höheren Eigenanteil an den Wohnkosten zu zahlen haben. Indem sie die Schule in Breitenau schließt, greifen sie den Menschen in die Tasche, weil jetzt irgendjemand den weiten Schulweg nach Bruck bezahlen wird müssen. Sie greift den Menschen unentwegt in die Taschen, aber sie greift in die falschen Taschen.

Landesrätin Vollath sagt: „Das Budget wird saniert, ohne Landesvermögen zu veräußern.“ Auch das stimmt nicht! Loser-Bergbahnen – verkauft; Hauser-Kaibling – verkauft; Hörgas-Enzenbach wird verkauft; LKH-West soll verkauft werden; Schloss Liechtenstein – verkauft; Schloss Schwanberg – wird vermutlich verkauft.

Die SPÖ/ÖVP-Landesregierung hat eine besondere Unverfrorenheit parat: Während soziale Transferleistungen seit Jahren nicht valorisiert wurden, sieht das heute zu beschließende Parteienförderungsgesetz eine automatische Wertanpassung der Fördergelder vor.

Welches Resümee ist aus all dem zu ziehen?

Die sogenannten „Reformpartner“ verschlechtern die Lebensbedingungen vieler Steirerinnen und Steirer, indem sie soziale Leistungen kürzen und die öffentliche Infrastruktur zurückfahren. Sie schließen Spitäler und Schulen und planen einen neuen Generalangriff: diesmal auf die Infrastruktur unserer Gemeinden. Was sagt der Bürgermeister von Birkfeld, eine Gemeinde, in die mehrere Umlandgemeinden aufgehen sollen? „Einer von vier Kindergärten wird geschlossen, einige Gemeindeämter wird es nicht mehr geben.“ In der neuen, mit Gai und Hafning fusionierten Gemeinde Trofaiach wurde das AWZ in Gai bereits geschlossen, jenes in Hafning demnächst. Was dringt von den Geheimverhandlungen zwischen Bruck und Kapfenberg ans Tageslicht? Das Rathaus in Bruck soll Geschichte sein. Die „Reformpartner“ verschlechtern nicht nur die unmittelbaren Lebensbedingungen vieler Steirerinnen und Steirer, sie dünnen auch den ländlichen Raum weiter aus und tragen zur Landflucht bei.

Die KPÖ steht für einen anderen Weg. Österreich ist ein reiches Land. Aber der Reichtum ist immens ungleich verteilt. Die Arbeiter und Angestellten unseres Landes, die diesen Reichtum tagtäglich erarbeiten, haben wahrlich nicht über ihren Verhältnissen gelebt! Trotzdem sollen sie jetzt die Zeche der EU-weiten Spar- und Sanierungspakete bezahlen. Dass die steirischen „Reformpartner“ sich zur österreichischen Speerspitze eines von den Konzern- und Kapitaleliten der EU europaweit verordneten  Gesundschrumpfens gemacht haben, mag ÖVP-Kreise, die Industriellenvereinigung und verschiedene Medien zu Jubelstürmen hinreißen. Der originären Sozialdemokratie sollten derartige Beifallsbekundungen zu denken geben.

Veröffentlicht: 11. Dezember 2012

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