Getötet, weil sie Frauen sind!
Ursachen aufzeigen, Gewaltschutz ausbauen, Frauenmorde (Femizide) verhindern – Positionen der KPÖ Steiermark
15 Frauen wurden in diesem Jahr in Österreich bereits ermordet.
(Stand: Juli 2021)
Frauenarbeitskreis der KPÖ Steiermark nimmt Stellung, Mai 2021
Statistisch ist jede 5. Frau ab dem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede 3. Frau musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren. Das macht betroffen und vielleicht auch ein wenig ohnmächtig. Gerade deshalb müssen von Gewalt betroffene Frauen bestmöglich unterstützt werden. Vor allem aber sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Ursachen dieser Gewalt aufzuzeigen: Schlecht bezahlte Lohnarbeit, zu wenig Anerkennung für Sorge-Arbeit, weitgehend fehlende geschlechtssensible Erziehung und Unterdrückung in patriarchalen Verhältnissen. Männergewalt ist aber nicht „importiert“. Gewalt an Frauen wird unabhängig von sozialer Schicht und Nationalität ausgeübt.
Gewaltschutz flächendeckend ausbauen
Das aktuelle Frauenbudget der österreichischen Bundesregierung beträgt 14,5 Millionen Euro. Frauen- und Innenminister_in haben in den letzten Wochen immer wieder beteuert, dass sie die Gelder erhöht haben, um vor allem den Gewaltschutz ausbauen zu können. Ein Rückblick ins Jahr 2018, in dem es 41 Femizide gab zeigt, dass sich die damalige türkis-blaue Koalition knapp 45 Millionen an Werbebudget gönnte und gleichzeitig das Budget für Beratungs- und Interventionsstellen auf ca. 6 Millionen gekürzt und Gewaltschutzprojekte gestoppt hat. Wenn jetzt von Erhöhungen gesprochen wird muss man wissen, dass die Latte für türkis-grün sehr tief liegt. Vertreterinnen des Österreichischen Frauenrings (ÖFR), der Verein Österreichischer Autonomer Frauenhäuser und die Wiener Interventionsstelle haben festgestellt, dass 228 Millionen Euro pro Jahr und 3.000 zusätzliche Arbeitsstellen im Opferschutz tatsächlich notwendig wären.
Was braucht es, um Frauen bestmöglich zu schützen?
Experten und Expertinnen miteinbeziehen
Die Mitarbeiter_innen von Gewaltschutzeinrichtungen, Frauenhäusern und Männerberatungsstellen arbeiten tagtäglich mit den Betroffenen und den Tätern. Sie sind die Expertinnen und Experten, die miteinbezogen werden müssen, wenn politisch Verantwortliche Maßnahmen zum Gewaltschutz planen.
Ausfinanzierung relevanter Einrichtungen
Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser, Männerberatungsstellen – all diese relevanten Einrichtungen müssen finanziell so aufgestellt sein, damit die Arbeit professionell geleistet werden kann. Außerdem braucht es finanzielle Ressourcen, die bei Bedarf auch kurzfristig zusätzliche Projekte ermöglichen.
Als Beispiel sei die steirische Infokampagne erwähnt, die in den Kaufhäusern während des Lockdowns durchgeführt wurde. Durch das Auflegen von Informationsblättern über Hilfe bei Gewalt, war ein niederschwelliger Zugang gegeben, der gut in Anspruch genommen wurde.
Wie die Gewaltschutzorganisationen fordern wir die fehlenden 228 Millionen Euro im Jahr für eine Ausweitung und längerfristige Absicherung ihrer Arbeit und zusätzlich rund 3.000 neue Arbeitsstellen im Opferschutz.
Um die Angebote der Schutzeinrichtungen und Telefonnotrufe bekannter zu machen, wäre eine Medienkampagne der Stadt Graz und des Landes Steiermark wünschenswert.
Mehr Übergangswohnungen in der Steiermark
In Graz gibt es derzeit nur 2 sogenannte „Übergangswohnungen“. Diese Wohnungen sind für Frauen, die das Frauenhaus verlassen, aber noch nicht ohne Betreuung leben können. Hier gibt es großen Nachholbedarf, wie auch in den restlichen Bezirken in der Steiermark.
Gewaltambulanzen
Woran es in Österreich generell fehlt sind Gewaltambulanzen. Notwendig wäre eine in jedem Bundesland und in weiterer Folge eine pro Bezirk.
In Graz wurde 2008 eine solche Ambulanz als Projekt ins Leben gerufen, die aber nur mehr in abgespeckter Form existiert. Eine solche Ambulanz bietet Untersuchungen nach modernsten rechtsmedizinischen Standards an. Es geht dabei um Verletzungsdokumentation und Spurensicherung. Sie muss von Gewaltopfern verfahrensunabhängig, auch ohne vorherige Anzeige, rund um die Uhr und kostenfrei in Anspruch genommen werden können. Ein Vorbild dafür ist die Gewaltambulanz in Heidelberg.
Prävention
Gewalt an Frauen kann unterschiedliche Ursachen haben, letztendlich hat es aber immer damit zu tun, dass gewalttätige Männer glauben, dass die Frauen und oft auch die Kinder ihr Besitz sind. Daraus resultiert, dass die Präventionsarbeit sehr früh angesetzt werden muss, in der Kinderkrippe, im Kindergarten – eben dort, wo Kinder lernen miteinander umzugehen. Wo erste soziale Kompetenzen erworben werden. Stichwort: geschlechtergerechte Pädagogik* – auch hier gilt es, die Expertinnen – nämlich die ElementarpädagogInnen miteinzubeziehen. Eine weiterführende Präventionsarbeit in den Schulen muss ebenso finanziert werden.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Freizeit muss strenger geahndet und das offene Ansprechen einer sexuellen Belästigung enttabuisiert werden. Schon hierbei zeigt sich ein Denken in Besitzansprüchen, deshalb muss es weit vor der Gewaltanwendung gestoppt werden.
Feministische Medienarbeit zur Aufklärung von Frauen und Mädchen über ihre Rechte und Möglichkeiten muss unterstützt werden.
Mehr für Care
Elementarpädagog_innen gehören wie Pflegefachkräfte und Gesundheitspersonal jenen Berufsgruppen an, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind. Und überall, wo überwiegend Frauen arbeiten, ist das Lohnniveau niedrig. Für den „Care-Bereich“ muss gelten: Bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal, kürzere Arbeitszeiten und höhere Löhne!
Es gibt viele Gründe, warum Frauen oftmals schwer aus einer Gewaltbeziehung ausbrechen können. Traumatisierungen, emotionale Verstrickungen, Scham, finanzielle Abhängigkeit sind einige davon.
Was müssen wir verhindern?
Ein Frauenmord ist ein Femizid und keine „Familientragödie“
Immer wieder kommt es vor, dass in den Medien, aber leider auch von der Polizei „geschönte Formulierungen“ verwendet werden. Wenn z.B. von „tödlicher Verletzung“ gesprochen bzw. geschrieben wird, wird gleichzeitig versteckt, dass hinter dieser Gewalt ein strukturelles Problem steckt.
Frauenmorde sind keine Beziehungsdramen, keine Einzelfälle, keine tragischen Unfälle. Sie müssen als das benannt werden, was sie sind: Morde bzw. Femizide, denn als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts.
Isabell Haider, Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien, zum Begriff Femizid:
„Ein strukturelles Problem sehe ich darin, dass keine Bereitschaft besteht, geschlechtsbezogene Gewalt gegen Frauen als eigenständiges Kriminalitätsphänomen, das spezielle Expertise erfordert, anzuerkennen. Im Grunde war genau das einer der Gründe für die Konzipierung des Begriffs "Femizid". Dieser sollte zum Ausdruck bringen, dass allgemeine Kriminalitätstheorien, die von männlichen, weißen Kriminologen ausschließlich für männliche Opfer entwickelt wurden, bei Femiziden zu kurz greifen.“
Panikmache
Die nun angebrachte intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Gewaltschutz darf jedoch eines nicht: Ängste schüren. In den letzten Wochen ist es vermehrt dazu gekommen, dass die Femizide in einer reißerischen und unsensiblen Art öffentlich diskutiert wurden. Das hilft den Betroffenen nicht und löst oft unbegründete Panik aus, wie die Mitarbeiter_innen der Gewaltschutzeinrichtungen bestätigen.
Österreich – keine Insel der Seligen
Um den Gewaltschutz in Österreich zu verbessern und Femizide zu verhindern, muss an vielen Schrauben gedreht werden. Und das ist dringend notwendig, denn Österreich ist längst keine Insel der Seligen mehr, schon gar nicht bei diesem Thema. Österreich hat europaweit die höchste Frauenmordrate – und das soll uns nicht nur zu denken geben, sondern auch zum Handeln bringen!
Forderungen der KPÖ Steiermark:
- Gewaltschutz ausbauen! Mehr Geld für Gewaltschutzeinrichtungen, Frauenhäuser und Männerberatungsstellen
- Einbeziehung von Expert_innen, wenn es um Maßnahmen rund um den Gewaltschutz geht
- Übergangswohnungen in allen steirischen Bezirken
- Gewaltambulanzen in allen Bundesländern, in weiterer Folge in allen steirischen Bezirken
- Investition in die Präventionsarbeit in elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen
- Sexuelle Belästigung muss strenger geahndet werden
- Bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und höhere Entlohnung für Elementarpädagog_innen, Pflegefachkräfte und Personal im Gesundheitsbereich
- Ein 12 Mrd. Euro Konjunkturpaket für Bildung, Pflege und Gesundheit, damit vor allem dort investiert wird, wo überwiegend Frauen tätig sind und das Lohnniveau niedrig ist.
Die KPÖ Steiermark unterstützt daher auch Initiativen, die dieses Ziel verfolgen wie z.B.:
- Die Forderungen von F*Streik https://fstreikgraz.diebin.at/femizide-morde-an-frauen-sind-keine-einzelfalle/
- Die Petition der SPÖ - https://frauen.spoe.at/2021/04/29/spoe-petition-stoppt-femizide-endlich-ein-ende-der-gewalt-gegen-frauen/
- Die Initiative „Mehr für Care“ mit der Forderung nach einem feministischen Konjunkturpaket https://www.attac.at/fileadmin/user_upload/bilder/kampagnen/Corona/Mehr_fuer_care_online.pdf
*Geschlechtergerechte Pädagogik: Das Ziel einer geschlechtergerechten Pädagogik ist es, die Kinder ganzheitlich zu akzeptieren und all ihre Fähigkeiten und Interessen wachsen zu lassen und zu fördern – also der Entwicklung von stereotypen Geschlechterbildern entgegenzuwirken.
Veröffentlicht: 2. Februar 2022