Homeoffice verschärft Doppelbelastung von Frauen
Anne Rieger über fatalen Rückschritt für Frauen
Nicht nur während der Zeit der Pandemiemaßnahmen hat sich herausgestellt, dass durch Home-Office keine Geschlechtergleichheit oder größere Vereinbarkeit von Beruf und Familie stattfindet. Doppelbelastung und traditionelle Rollenaufteilungen haben weiter Bestand, sie verschärfen sich sogar.
Zu Beginn der Pandemie empfanden Eltern manches Mal den Trend zum Home-Office als Erleichterung. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schien leichter umsetzbar. Es sei „eine Erleichterung für Beruf und Familie“, so Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Aber diese Erleichterung habe „leider ein Geschlecht: das weibliche Geschlecht“.
Für weibliche Beschäftigte, die auch in der Corona-Krise zumeist die Verantwortung für die Kinderbetreuung trugen, ging die Schließung von Kitas und Schulen trotz und wegen Home-Office meist mit einer enormen Erhöhung der Doppelbelastung aus Erwerbs- und Sorge-Arbeit einher. Allmendinger weist darauf hin, dass Frauen schon immer diese Vereinbarkeit schulterten. Jetzt – durch Home-Office – werde ihnen das leichter gemacht. Und genau damit verfestige sich die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.
Denn die Unterschiede in Stundenlöhnen, Arbeitszeiten, Rentenniveau zwischen Frauen und Männern werden durch Home-Office nicht reduziert, auch nicht die „Positionsgewinne“ – im Gegenteil. Frauen haben lange darum gekämpft, den öffentlichen betrieblichen und politischen Raum zu betreten. Jetzt werden sie teilweise in die Familien zurückgeholt. Ein katastrophaler gesellschaftlicher und feministischer Rückschritt. Nicht nur ihre Care-Arbeit wurde unsichtbar, jetzt auch noch ihre durch Unternehmer ausgebeutete Lohnarbeit. Schwer, da eine Gehaltserhöhung durchzusetzen. „Vor allem für Frauen dürfte sich eine dauerhafte Ausgrenzung aus betrieblichen Netzwerken und Machtstrukturen als Karriereblockade erweisen“, so Allmendinger.
Die Spreizung der Arbeitsrealität von Frauen und Männern, ergab eine Befragung in Österreich, wurde augenfällig: Home-Schooling, „Distance Learning“ und andere Formen der Kinderbetreuung mit dem gleichzeitigen Anspruch, unvermindert zu arbeiten, ist, bei aller „Erleichterung“ für Vereinbarkeit, eine in dieser Form bisher unbekannte Belastung für Frauen und ein Kraftakt, der grundsätzlich nicht gelingen kann.
Eine massive Ausfransung der Arbeitszeiten für Frauen wurde erlebt und in Studien belegt. Schon Clara Zetkin stellte 1889 fest, es sei „die Rücksicht auf die Aufgaben in der Familie“. Die Frau sei nicht ein „Nur-Mensch“, sie sei ein weiblicher Mensch und habe als Mutter, als Gattin Sonderaufgaben zu erfüllen. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung mache aber in den meisten Fällen einen Konflikt zwischen Berufspflichten und Familienpflichten unvermeidlich, so Zetkin. „Bald müssen die einen, bald die anderen leiden; nur ausnahmsweis starke Frauenindividualitäten können beiden gerecht werden, und auch sie nur um den Preis einer vorzeitigen Hinopferung ihrer Kraft. Ein harmonisches Ausleben als Vollmensch wird damit der Mehrzahl der Frauen zur Unmöglichkeit.“
Es hat sich zudem deutlich gezeigt, dass die technische Ausstattung im Home-Office für Frauen ungleich schlechter ist. Die ergonomische Beanspruchung ist für Frauen wesentlich negativer, weil Frauen im Home-Office häufig am „Küchenstockerl“ arbeiten. Eine Befragung zeigte, dass es sich dabei nicht bloß um Anfangsschwierigkeiten handelte. Die besonders schlechte Ausstattung mit Möbeln und digitalen Arbeitsmitteln manifestierte sich über die Monate der Pandemie bei etwa einem Drittel der Betroffenen.
Veröffentlicht: 9. August 2021