Keinen Schritt zurück!

Stellungnahme von KPÖ-Gemeinderätin Martina Thomüller zur ÖNORM-Debatte

1920 wurde im BVG im Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz unter Abs. 1 festgelegt, dass alle Staatsbürger_innen vor dem Gesetz gleich sind, unabhängig von Geschlecht, Klasse etc.

Unter Abs. 2–3 bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden zur Gleichstellung von Mann und Frau sowie dazu, dass Amtsbezeichnungen das Geschlecht des Trägers/der Trägerin zum Ausdruck bringen sollen.

1985 wurden geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst gesetzlich verboten.

In Österreich gab es erstmals 1987 linguistische Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Das österreichische Normungsinstitut hat kürzlich für Gegensätzliches plädiert. Nach deren Forderungen soll fortan auf weibliche Formen verzichtet werden und stattdessen mittels Generalklausel wieder auf ein einheitliches generisches Maskulinum (männliche Form, die die weibliche Personen inkludiert) zurückgegriffen werden. Außerdem sollen auch das Binnen-I sowie die weibliche Form von Akademischen Titel (Magistra/Mag.a oder Doktorin/Dr.in), die seit 1988 verankert ist, von der Bildfläche verschwinden. Diese Ablehnung stützt sich auf Seiten des österreichischen Normungsinstitutes auf die Argumentation einer sprachlich nicht korrekten Form. Zur Folge hätte dies ein erneutes Verschwinden) der Frauen in sämtlichen Bereichen des Lebens (…) und entspricht einem Rückschritt in eine Zeit vor dem 18. Jahrhundert, als der Mann als DER Mensch gesehen wurde, und die Frau infolgedessen als eine „Sonderart“ angesehen wurde.

Den Menschen, die diesen Entwurf verfasst haben, ist wohl nicht bewusst, dass Sprache die Wahrnehmung mitformt und somit die Streichung von weiblichen Formen zum Verschwinden von weiblichen z.B. Leistungen aus der Wahrnehmung beiträgt. Zahlreiche Studien belegen, dass Frauen durch das ausschließliche Verwenden der männlichen Form nicht angesprochen werden und nicht „mitgemeint“ sind.

Ein Beispiel:
„Ein Vater fuhr mit seinem Sohn im Auto. Sie verunglückten. Der Vater starb an der Unfallstelle. Der Sohn wurde schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und musste operiert werden. Ein diensthabendes Mitglied des ärztlichen Personals eilte in den OP, trat an den Operationstisch heran, auf dem der Junge lag, wurde kreidebleich und sagte: „Ich bin nicht imstande zu operieren. Dies ist mein Sohn.“

Wie viele Menschen kommen auf die Idee, dass es sich um die Mutter des Kindes handelt? Schätzungsweise nicht viele. Und das sollte ein kleiner Beweis dafür sein, wie wichtig geschlechtergerechte Sprache für die Sichtbarmachung von Frauen in der Gesellschaft und der Bewusstseinsbildung von Menschen ist.

Veröffentlicht: 4. April 2014