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Landtag: Debatte zur Situation des österreichischen Bildungssystems

Aktuelle Initiativen im Landtag

Unterstützung für die Anliegen der Studierenden, die heute auf aktionistische Weise im Grazer Gemeinderatssitzungssaal den dort tagenden Steiermärkischen Landtag auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht haben, kommt von KPÖ-Bildungssprecherin Claudia Klimt-Weithaler.

Konkret geht es um einen Landtagsbeschluss, der vor über einem Jahr von einer Mehrheit aus SPÖ, KPÖ und Grünen gefasst wurde. Dieser Antrag sieht vor,

1. das Semesterticket für Studierende vom Bezug der Familienbeihilfe zu entkoppeln,

2. den Preis des Semestertickets an andere Unistädte anzupassen (Linz 50,- Euro, Wien 50,50.- Euro, Graz 125,50.- Euro) und

3. ermäßigte Stunden- und Tagestickets auch für Studierende erhältlich zu machen.

Die zuständige VP-Landesrätin Edlinger-Ploder hat bisher keine sichtbaren Schritte unternommen, diesen Beschluss umzusetzen oder zumindest dessen Umsetzung vorzubereiten. Darauf verweist KPÖ-LAbg. Claudia Klimt-Weithaler. "Der Unmut der Studierenden hängt auch mit der sozialen Situation vieler junger Menschen zusammen, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben, aber beispielweise für den ÖV tief in die Tasche greifen müssen. Es ist nicht einzusehen, dass Studierende in Graz mehr als doppelt so viel für ein Semesterticket zahlen müssen als in Wien oder Linz."

Antrag 1: Maßnahmen im Hinblick auf die Proteste an den österreichischen Universitäten

(Antrag der KPÖ - mehrheitlich angenommen)

Auf die Welle von Protesten, die mittlerweile beinahe alle Universitäten erfasst hat, und sich in Hörsaalbesetzungen in Wien, Salzburg, Graz, Innsbruck, Klagenfurt und kurzzeitig auch Linz manifestiert, reagierte die Bundesregierung zunächst mit Ratlosigkeit. In ersten Reaktionen ließen sie wissen, dass die Forderungen der nach basisdemokratischen Prinzipien organisierten Bewegung diffus bzw. utopisch wären. Wenn man die Forderungen der Grazer HörsaalbesetzerInnen betrachtet, zeigt sich schnell, dass diese äußerst vernünftig sind. Drei dieser Forderungen sind als zentral zu erachten:

* Die Abschaffung von Zugangsbeschränkungen jeglicher Art in Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien.
* Das Bekenntnis der Regierung zum uneingeschränkten freien Hochschulzugang und zur ausreichenden Finanzierung des Bildungswesens im Allgemeinen.
* Die Rücknahme des Universitätsgesetztes 2002 in seiner aktuellen Form und eine offene Neugestaltung unter Einbeziehung der Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten.

Schon ein oberflächlicher Blick auf einschlägige Statistiken zeigt, dass die Schmerzgrenze an den Hochschulen arg überschritten wurde. So sind von den etwa etwa 2500 Studienabschlüssen an der Universität Graz im vergangenen Jahr nur etwa ein Drittel, nämlich ca. 800, in der Toleranzstudiendauer erfolgt. Die entsprechenden Daten der anderen Universitäten bieten kein besseres Bild. Das spiegelt nicht die mangelnde Eignung der Studierenden wieder, sondern zeigt, dass die Strukturprobleme der Universität so groß sind, dass ein Großteil der Studierenden nicht in der Lage sind ihre Ausbildung fristgerecht abzuschließen. Durch das Überschreiten der Toleranzfristen verlieren sie staatliche Transferleistungen, und Maßnahmen wie den jüngst beschlossenen Studiengebührenerlass kommen ihnen nicht zugute. Diese Kennzahl verrät auch, dass ganze Jahrgänge junger Menschen wertvolle Lebenszeit salopp gesagt, in der Warteschleife verbrennen, darauf wartend, dass ihnen zum Beispiel rare Labor- oder Lehrveranstaltungsplätze zufallen. Sich die Zeit mit dem Versuch zu vertreiben, durch zivilen Ungehorsam eine Änderung ihrer Lebenssituation und Ausbildungsstätten zu erzwingen, ist keine vollkommen irrationale Entscheidung.
Wenn Wissenschaftsminister Hahn und Bundeskanzler Faymann ihr Heil in der Empfehlung von Zugangsbeschränkungen und marginaler Erhöhung der Universitätsbudgets suchen, dann begehen sie den Fehler die Symptome statt der Krankheit zu kurieren und dies mit überdies vollkommen untauglichen Mitteln. Es ist Unsinn weil Hochschulfinanzierung mit gedeckelten Budgets ein Nullsummenspiel ist, bei dem es Verlierer geben muss.

Zugangsbeschränkungen sind keine Lösung sondern eine Sackgasse. Österreich muss seine Übertrittsraten von der AHS/BHS von etwa 60% -die das bestehende Universitätssystem bereits überlasten- auf weit über 80% steigern, wenn es im internationalen Wettbewerb mit den anderen entwickelten Industriestaaten mithalten will.

Wenn die Universitäten aber bereits jetzt den Andrang nicht verkraften, dann hilft es nicht, sie durch Zugangsbeschränkungen auf mehr Studienrichtungen zu verteilen.

Entlastet man vollkommen überlaufene Studienrichtungen durch Beschränkung des Zugangs, so kommen jene Studien unter Druck die es bisher nicht waren. Die Studienrichtungen die so massenhaft ungenützte Kapazitäten haben, dass sie den Bulk aus den Massenfächern absorbieren könnten, ohne in Schwierigkeiten zu kommen, gibt es nicht. Das Problem ist nicht wie von Hahn und Faymann vorgeschlagen, durch bessere Studienberatung und Zugangsbeschränkungen zu lösen, es sei denn man verwehrt großen Segmenten der AHS/BHS AbsolventInnen die Chance auf akademische Ausbildung. Das Geld für den bedarfsdeckenden Ausbau des Universitätssektors in Österreich wäre vorhanden, es ist nur in den falschen Händen, und die politischen VerwantwortungsträgerInnen weigern sich Kategorisch etwa durch höhere Vermögenssteuern neue Finanzierungsquellen zu erschließen.

Das österreichische Universitätssystem wurde durch den Beschluss des Universitätsgesetzes 2002 (UG2002) zu einem brodelnden Labor, in dem neoliberale Dogmen und Methoden einem Praxistest unterzogen wurden. Die Universitäten wurden in Körperschaften öffentlichen Rechts ausgegliedert, die zwar der Rechtsaufsicht des Bundes unterliegen aber selbstständig wirtschaften und ihre Binnenorganisation weitgehend selbst gestalten sollten. Gleichzeitig erfüllen sie ihre Aufgaben im Rahmen von Leistungsvereinbarungen, die alle drei Jahre mit dem Bund abzuschließen sind. Während die BefürworterInnen der Reform mit Ungeduld darauf gewartet hatten, und es noch immer tun, dass sich die Überlegenheit der neuen Steuermethode gegenüber der klassischen öffentlichen Verwaltung dieser Organisationen, manifestiert, sahen die GegnerInnen mit sorgenvollem Blick in die Zukunft. Der schmerzhafte Transformationsprozess der damals ausgelöst wurde, ist immer noch nicht abgeschlossen, eine belastbare Einschätzung der Auswirkungen wesentlicher Elemente der Reform ist mittlerweile möglich geworden. Diese Ausgliederung kann man ebenso wie jene der Bundesbahnen, die ebenfalls nach der Doktrin des New Public Management erfolgte, als endgültig gescheitert betrachten.

Die enormen Kosten die den Universitäten durch den Aufbau eines Rechnungswesens nach dem Handelsgesetzbuch, einer privatwirtschaftlichen Personalverwaltung, und die beinahe unübersehbaren steuer- und abgabenrechtlichen Folgen der Ausgliederung aufgebürdet wurden, fehlen in der universitären Forschung und Lehre. Dazu kommt der monströse Apparat der Leistungsvereinbarungen und Wissensbilanzen, die insgesamt dysfunktional sind, und auch aus Sicht von Experten wie dem Rektor der WU Wien Christoph Badelt nur eine teure Farce darstellen.

Auf der makropolitischen Skala ist die Steuerung von Universitäten aufgrund von Leistungsvereinbarungen bequem für PolitikerInnen. Sie können stets darauf pochen, dass die autonomen Universitäten selbst für die bestmögliche Erfüllung ihrer Aufgaben zu sorgen haben. Wenn sie beispielsweise ihren Studierenden unzumutbare Ausbildungsbedingungen bieten, dann liegt es in der Verantwortung der Universitäten solche Missstände zu beseitigen. Dieses Schauspiel jede Verantwortung zu leugnen, während man die Universitäten zwingt unpopuläre Maßnahmen im Rahmen der Mangelverwaltung durchzusetzen, muss ein Ende haben. Die Forderung der Protestierenden, den zentralen Prinzipien des UG2002 den Rücken zu kehren, hat also Hand und Fuß.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit dem Anliegen heranzutreten,

1.) Eine Novelle des Universitätsgesetzes 2002 vorzubereiten mit der

a.) die Studiengebühren endgültig abgeschafft werden,
b.) das System der dreijährigen Leistungsvereinbarungen und indikatorgesteuerten Budgets wieder abgeschafft werden,
c.) das Organ Universitätsrat abgeschafft wird,
d.) das Rektorat an österreichischen Universitäten wieder von VertreterInnen aller Universitätsangehörigen gewählt werden, und
e) die Budgets der Universitäten wieder der demokratischen Kontrolle der Universitätsangehörigen unterworfen werden.

2.) Eine Evaluierung der Umsetzung des Bologna-Prozesses in Österreich zu starten mit dem Ziel die durch ihn ausgelösten negativen Begleiterscheinungen einzudämmen.

3.) Den offenen und freien Hochschulzugang für österreichische Studierende ohne Rückgriff auf Zugangsbeschränkungen sicherzustellen, mit dem Ziel die AkademikerInnenquote sowie die Übertrittsraten vom sekundären auf den tertiären Bildungssektor auf das Niveau der Spitzenreiter im OECD-Schnitt anzuheben.

Unterschriften:
Ernest Kaltenegger eh., Claudia Klimt-Weithaler eh., Ing. Renate Pacher eh.

Antrag 2: Qualitätsverbesserungen an österreichischen Hochschulen

Gemeinsamer Antrag von Grünen und KPÖ

Bildung ist das entscheidende Zukunftsthema für Österreich – und die österreichischen Hochschulen sind den anstehenden Herausforderungen nicht gewachsen. Österreichische Studierende vieler Universitäten versuchen, auf konkrete Missstände aufmerksam zu machen. In einem basisdemokratisch beschlossenen Forderungskatalog legen sie dar, wie moderne, zeitgemäße Universitäten organisiert werden sollten.

Die Forderungen der Studierenden lauten:
1) Bildung statt Ausbildung - Bildung für eine mündige Gesellschaft und nicht bloße Ausbildung nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit. Ziel ist die Möglichkeit eines freien, selbstbestimmten Studiums für Alle.
2) Freier Hochschulzugang
3) Demokratisierung der Universitäten
4) Ausfinanzierung der Universitäten
5) Das Behindertengleichstellungsgesetz muss an allen österreichischen Universitäten umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studieren zu ermöglichen.
6) Beendigung der prekären Dienstverhältnisse an den Universitäten
7) 50% Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals

Der Landtag Steiermark solidarisiert sich mit diesen Forderungen.

Österreich braucht mehr Studierende, nicht weniger. Dazu müssen die Ressourcen der Universitäten verbessert und muss die Qualität der Studien gesichert werden, denn die derzeitigen Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten ermöglichen keine qualitativ hochwertige Ausbildung.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung mit der Forderung heranzutreten, die Vorschläge der Studierenden
* Bildung statt Ausbildung (Bildung für eine mündige Gesellschaft und nicht bloße wirtschaftliche Verwertbarkeit; freies, selbstbestimmtes Studium für Alle)
* Freier Hochschulzugang
* Demokratisierung der Universitäten
* Ausfinanzierung der Universitäten
* Einhaltung des Behindertengleichstellungsgesetzes
* Beendigung der prekären Dienstverhältnisse
* 50% Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals

umzusetzen und damit eine Qualitätsverbesserung an österreichischen Hochschulen zu gewährleisten sowie von der Einführung von Studiengebühren abzusehen.

Unterschriften:
Mag. Edith Zitz eh., Ingrid Lechner-Sonnek eh., Lambert Schönleitner eh., Claudia Klimt-Weithaler eh.

Antrag 3: ÖVP-Antrag auf Wiedereinführung von Studiengebühren

Im September 2008 wurde die Abschaffung der Studiengebühren durch SPÖ, FPÖ und Grüne beschlossen! Die Einführung der Studiengebühren hat unter anderem auch dazu geführt, dass schneller studiert wurde; die Stipendien sind in dieser Zeit verdoppelt worden, um soziale Härten zu vermeiden. Die Universitäten erhalten für den Entfall der Gebührengelder jährlich 157 Mio. Euro. Jetzt müssen die Steuerzahler die fehlenden Studiengebühren ersetzen!

Oberstes Ziel muss die Sicherung der Qualität an den Universitäten sein! Dafür müssen Rahmenbedingung geschaffen werden. Man kann dies aber nicht, indem man die Universitäten vergattert, alles offen und alles gratis anzubieten. Die besten Universitäten der Welt sind jene, die Zugangsbedingungen und Studienbeiträge haben, aber auch ein gutes Stipendienwesen!

Die derzeitigen Diskussionen und Protestaktionen rund um die Zukunft unserer Universitäten zeigen auf, dass Geld an allen Ecken und Enden fehlt.
Aufgrund der Weltwirtschaftskrise, in der das staatliche Budget-Defizit ohnehin zu explodieren droht, mehr Geld zu fordern, aber selbst keinen finanziellen Beitrag zu leisten, ist das System sehr zu hinterfragen!

Um die Missstände an den Universitäten zu bekämpfen und die Situation für die Studierenden zu verbessern, würde sich eine Wiedereinführung von Studiengebühren sicherlich positiv auswirken. Zum einen hätten die Universitäten mehr Geld zur Verfügung. Zum anderen würde sich der Ansturm aus dem angrenzenden Ausland etwas eindämmen lassen. In unseren Nachbarländern gibt es Studiengebühren.

Auch das Defizit des Landesbudgets würde durch die Einführung der Studiengebühren an der Fachhochschule kleiner werden.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, um die Qualität an den Fachhochschulen und Universitäten zu sichern und die Situation für die Studierenden zu verbessern,

1. die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um wieder Studiengebühren an der Fachhochschule einheben zu können und
2. an die Bundesregierung mit dem Ersuchen heranzutreten, die Studiengebühren an den Universitäten wieder einzuführen.

Unterschriften:
Mag. Christopher Drexler eh., Franz Majcen eh., DDr. Gerald Schöpfer eh.

Veröffentlicht: 17. November 2009

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