Pflege-Kostenfalle für Angehörige: Armutszeugnis für Landesregierung
Claudia Klimt-Weithaler: Kostenexplosion im Pflegebereich ist hausgemacht
KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler: „Der Regierung ist seit Jahren bekannt, wer die tatsächlichen Kostentreiber im Pflegebereich sind: jene gewinnorientierten privaten Heimbetreiber, die mit öffentlichen Mitteln gewaltige Gewinne einfahren. Die KPÖ zeigt seit Jahren auf, wie man die Kostenentwicklung in den Griff bekommen kann. Landtagsbeschlüsse dazu werden aber einfach nicht umgesetzt, wahrscheinlich aus Angst vor der Macht der größeren Heimbetreiber, die ihre Dienstleistungen zum Teil sogar als Geldanlage vermarkten und darauf bedacht sind, die Kosten in die Höhe zu treiben.“
13 Fragen an Landesrätin Edlinger-Ploder
Enttäuscht zeigten sich KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler und LAbg. Werner Murgg nach der Pflegedebatte im steirischen Landtag zum Pflegeregresses. „Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage der KPÖ macht nicht nur deutlich, dass für die Regierung die Wiedereinführung des Pflegeregresses längst beschlossene Sache ist, sondern auch, dass sich die zuständige Landesrätin Edlinger-Ploder um wesentliche Probleme herumschwindelt.“, so Klimt-Weithaler.
LAbg. Murgg: „Edlinger-Ploder hat sich um die Benennung der Geschäftemacherei als eine der Hauptursachen der Kostenexplosion im Pflegesektor herumgeschwindelt. Stattdessen will sie den Regress wieder einführen und begründet dies mit Grundsätzen der christlichen Soziallehre.“
Zum Hintergrund:
Ihres wahres Gesicht gezeigt habe die FPÖ, die sich gerne als „soziale“ Partei verkaufe, im Landtag aber einer Regelung zustimme, die die Existenz vieler steirischer Familien gefährdet.
Zwei Jahre nach Abschaffung der Rückzahlungspflicht im Rahmen der Pflegekosten (Pflegeregress) will das zuständige Regierungsmitglied Mag. Edlinger-Ploder diese Kostenfalle für Angehörige wieder einführen. Als Grund dafür wird die Kostenexplosion genannt. Angesichts der Tatsache, dass die dramatische Kostenentwicklung durchaus in den Griff zu bekommen wäre, wirkt diese Begründung absurd. Die KPÖ wird daher in der morgigen Sitzung des steirischen Landtages folgende Dringliche Anfrage an Landesrätin Edlinger-Ploder richten:
1. Wie groß ist der Prozentsatz der mit Pflegestufe 1 eingestuften BewohnerInnen an den in stationären Einrichtungen untergebrachten Pflegebedürftigen?
2. Wie hat sich dieser Prozentsatz seit 1.11.2008 verändert?
3. Um welchen Prozentsatz haben sich die Tagsätze für Pflegeheime in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zum jeweils vorausgegangenen Jahr erhöht?
4. Der medial breit beworbenen Abschaffung des Angehörigenregresses folgte die neu eingeführte Praxis, Pflegebedürftige zu Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu zwingen. Jetzt, zwei Jahre später, wird über Zeitungsberichte das Vorhaben in Aussicht gestellt, den Angehörigenregress zumindest teilweise wieder einzuführen. Glauben Sie, dass Angehörige Pflegebedürftiger Menschen angesichts dessen planbare und stabile Rahmenbedingungen für die Ordnung ihrer Lebensumstände vorfinden? Glauben Sie, dass angesichts von im Jahrestakt wechselnden Verhältnissen im Pflegebereich der Vertrauensschutz gegenüber Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen weiterhin ausreichend gegeben ist?
5. In einer Stellungnahme der Landesregierung vom 5.10.2009 zu einem Antrag der KPÖ, der zum Inhalt hatte, die Kosten der stationären Pflege auf einen kostendeckenden Tagsatz zu beschränken, wurde von der Fachabteilung 11a ausgeführt, dass durch die normierten Tagsätze eine Kostendeckung erreicht würde und eine Subventionierung privater Träger daher nicht stattfände. Die Pflegeheimpreise, so die Stellungnahme weiter, wurden so festgesetzt, dass eine kostendeckende Leistungserbringung im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten der Leistungserbringer möglich ist. Zusätzliche Mittel, die beispielsweise Cashflow fördernd sind und über einer Kostendeckung liegen, wurden nicht angesetzt.
6. Wenn auch private Betreiber kostendeckend operieren müssen, wie ist es dann ihrer Ansicht nach möglich, dass beispielsweise die IMMAC-Gruppe ihre Renditefonds, die in Pflegeheime in der Steiermark investieren – mit dem Versprechen monatlicher Ausschüttungen von 6,5 % bis 8 % –, bewerben kann?
7. Mit dem Landtagsbeschluss Nr. 1729 aus der 55. Sitzung der XV. Gesetzgebungsperiode vom 17. November 2009 wurde die Landesregierung aufgefordert, dem Landtag ehestmöglich ein Konzept vorzulegen mit dem Ziel, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel für die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung mittelfristig auf öffentliche und gemeinnützige Heimträger zu beschränken, um in Zukunft auszuschließen, dass öffentliche Gelder zur Subventionierung privater Gewinne verwendet werden. Wie weit sind die Vorbereitungen für die Vorlage eines solchen Konzeptes gediehen? Wann werden sie dem Landtag ein dem Beschluss 1729 entsprechendes Konzept vorlegen?
8. Wie vielen Pflegebedürftigen wird derzeit die Sozialhilfe mit der Begründung verweigert, es seien zuerst Unterhaltsansprüche gegen Angehörige – notfalls gerichtlich – durchzusetzen?
9. Bei wie vielen der Betroffenen handelt es sich um volljährige Erwachsene, die verhalten wurden, gegen ihre Eltern Unterhaltsansprüche durchzusetzen?
10. Bei wie vielen der Betroffenen handelt es sich um Eltern volljähriger Kinder, die gezwungen wurden, Unterhaltsansprüche gegen ihre erwachsenen Kinder durchzusetzen?
11. Wie lange ist die durchschnittliche Verweildauer der Pflegebedürftigen in den steirischen Pflegeheimen derzeit?
12. Wie groß ist der Anteil der Mittel, die durch solche Unterhaltsklagen aufgebracht wurde, im Verhältnis zu den gesamten Pflegekosten, die dem Land Steiermark erwachsen?
13. Das Ergebnis des Rechnungshofberichtes der Stadt Graz „Erhöhung der Tagsätze für Pflegeheime ab 1. Jänner 2009 – Prüfung des Normkostenmodells“, aber auch das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Studie zum Pflegeheimbereich (KDZ), die gemeinsam von den Kostenträgern (Land Steiermark, Städtebund und Gemeindebund) in Auftrag gegeben wurde, haben zutage gefördert, dass das bestehende Normkostenmodell zu weitaus überhöhten Abgeltungen für die Pflegeheimbetreiber führt. In der Beantwortung der schriftlichen Anfrage Einl.Zahl 3423/1, in der XV Gesetzgebungsperiode stellte LHStv. Siegfried Schrittwieser in Aussicht, eine Überarbeitung des bestehenden Normkostenmodells mit Beginn 2010 einzuleiten. Wie weit sind die Vorarbeiten für eine Überarbeitung des Normkostenmodells gediehen, und welche finanziellen Auswirkungen sind für das Land Steiermark durch dessen Implementierung zu erwarten?
Entschließungsantrag
[…] Die Praxis, dass Unterhaltspflichtige (Eltern, Kinder, (Ex-)Ehepartner) nun doch zur Kasse gebeten werden und das in weit höherem Umfang als vor der Abschaffung des Regresses, widerspricht klar dem Auftrag des Gesetzgebers! Die Situation hat sich gegenüber der ursprünglichen Regressregelung sogar noch massiv verschlechtert:
Die Sozialhilfe wird nämlich nun gar nicht erst ausgezahlt, sondern schon im Vorfeld an das Einbringen einer Unterhaltsklage geknüpft. Dies widerspricht klar der Intention des Sozialhilfegesetzes, eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden (§ 1 Abs.3 Stmk.SHG)! Überdies ist die Ersatzpflicht des Unterhaltspflichtigen auch weitaus höher, als es nach der Regressregelung der Fall war. War der Regress noch mit 16 Prozent des Einkommens begrenzt, kann der Unterhalt bis zu 22 Prozent betragen.
Mit Erlass hat die Fachabteilung 11A sichergestellt, dass zumindest Kinder vom Pflegeregress ausgenommen werden. Notwendig wäre nun per Erlass sicherzustellen, dass in Zukunft gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber erwachsenen Sozialhilfebeziehern vom Rückersatz auszunehmen sind. Langfristig ist natürlich eine gesetzliche Regelung unerlässlich. Das Sozialhilfegesetz sollte daher in der Form geändert werden, dass Unterhaltspflichten gemäß §§ 94 und 140ff ABGB, zumindest soweit sie volljährige Hilfebedürftige betreffen, nicht zum Ersatz der Sozialhilfe herangezogen werden.
Die Landesregierung wird aufgefordert:
1. Die vom Landtag erst am 16.9.2008 beschlossene Abschaffung des Regresses im Stmk. Sozialhilfegesetz nicht anzutasten,
2. Per Erlass sicherzustellen, dass aus dem ABGB erwachsende Unterhaltsansprüche von volljährigen Kindern gegenüber ihren Eltern, von Eltern gegenüber ihren Kindern und von (Ex-)Ehegatten (§§ 94, 140ff ABGB) von der Ersatzpflicht des Aufwandes des Sozialhilfeträgers auszunehmen bzw bei der Berechnung des Einkommens der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers nicht zu berücksichtigen sind, und
3. Dem Landtag binnen 3 Monaten einen Entwurf für eine Novelle des Stmk.SHG vorzulegen, die sicherstellt, dass aus dem ABGB erwachsende Unterhaltsansprüche von volljährigen Kindern gegenüber ihren Eltern, von Eltern gegenüber ihren Kindern und von (Ex-)Ehegatten (§§ 94, 140ff ABGB) weder als Einkommen der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers iSd § 5 Stmk.SHG noch als Rechtsanspruch oder Forderung im Sinne des § 28 Abs.4 Stmk.SHG zu verstehen sind.
Veröffentlicht: 23. November 2010