Wie eine starke KPÖ den Aufstieg der Rechten eindämmen kann

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„Wo ein echter Kampf für ein besseres Leben geführt wird und Solidarität konkret erfahrbar ist, braucht es keinen billigen Ersatzstoff“, erklärte Robert Krotzer beim Willi-Gaisch-Seminar der KPÖ Steiermark.
Foto: © KPÖ

„Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerls“, so beschrieb der deutsche Marxist August Bebel bereits im 19. Jahrhundert die Funktion von Sündenbock-Ideologien. Rassismus und Antisemitismus sollen von den Verantwortlichen für soziale Missstände ablenken und die arbeitenden Menschen spalten. Ressentiments und der Hass auf Minderheiten soll eine breite Solidarität von unten verhindern, damit jene, die im Kapitalismus das Sagen haben, möglichst ungehindert ihren Geschäften nachgehen können.

Die zahllosen Verwerfungen des Kapitalismus führen dazu, dass in breiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die ökonomischen und politischen Eliten tief erschüttert ist. Damit dieser Vertrauensbruch aber nicht in einer fortschrittlichen, systemüberwindenden Perspektive seinen Ausdruck findet, liefern konservative, rechte und extrem rechte Kräfte Feinbilder für eine autoritäre Pseudo-Revolte.

Der Devise „Nach oben buckeln, nach unten treten“ folgend, geht es ihnen nicht um die Überwindung sozialer Notlagen, sondern vielmehr um die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer ökonomischen Lage, ethnischen Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit. Nationalistische Hetze und soziale Demagogie (Stichwort: „Soziale Heimatpartei“) sind ein billiger Ersatzstoff, der dort auf fruchtbaren Boden fallen kann, wo es keine politische Kraft gibt, die echte Solidarität der arbeitenden Menschen organisiert und soziale Verbesserungen erkämpft.
 

Rechter Aufstieg als Folge neoliberaler Verwüstung

Dazu ein kurzer Blick zurück in die Geschichte der Zweiten Republik: Die FPÖ und ihre Vorgängerpartei VdU waren nicht nur ein Sammelbecken zum Teil ranghoher und schwer belasteter Nazi-Funktionäre, sondern auch eine Honoratiorenpartei. Damit sammelte sie das deutschnationale Bürgertum rund um burschenschaftlich sozialisierte Juristen, Apotheker oder Gewerbetreibende. Als Partei des rechten (Klein-)Bürgertums betrug ihr Stimmenanteil bei Nationalratswahlen über Jahrzehnte konstant um die fünf Prozent.

Der Aufstieg der FPÖ in den 1980er- und 1990er-Jahren fällt nicht nur mit der Übernahme der Partei durch den geschickten Demagogen und Provokateur Jörg Haider zusammen. Dieser Aufstieg überschneidet sich auch und vor allem mit der Durchsetzung der neoliberalen Spielart des Kapitalismus in Österreich. Die neoliberale Offensive ging einher mit antisozialen „Sparpaketen“, der Zerschlagung der Verstaatlichten Industrie, Privatisierungsprogrammen in Vorbereitung auf den österreichischen EU-Beitritt und nicht zuletzt einer Neoliberalisierung der bis dahin breit verankerten Volksparteien sozialdemokratischer und christlich-sozialer Ausformung. Mehr und mehr wandten sich SPÖ und ÖVP von ihrer bisherigen Wähler:innenschaft ab. Diese reagierte ihrerseits mit einer Entfremdung von jenen Parteien, die bis dahin immerhin vorgaben, die Interessen von Arbeiter:innen, Bäuer:innen oder Handwerker:innen zu vertreten.

Dadurch entstand ein Vakuum in der politischen Vertretung breiter Teile der Bevölkerung. Der FPÖ gelang es mit Sündenbock-Ideologien, der Inszenierung als „Anti-System-Partei“, Rassismus und Provokationen diese Lücke zu füllen. So konnte sie ihren Stimmenanteil von fünf Prozent auf beinahe

30 Prozent ausbauen. Erst einmal mit unzähligen Stimmen und Mandaten von der Bevölkerung ausgestattet, nutzte sie diese in gleich mehreren Regierungsbeteiligungen zu einer besonders dreisten Politik gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Die ÖVP/FPÖ-Regierungen leiteten neoliberale Offensiven im Interesse des Großkapitals ein, wie die „Pensionsreform“ unter Schüssel/Haider, die Privatisierung zehntausender öffentlicher Wohnungen durch FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser oder die „Krankenkassenreform“ unter Kurz/Strache.
 

Politik für vermögende Minderheit verliert gesellschaftliche Mehrheit

Das Bündnis von ökonomischen Eliten und konservativen Kräften mit der extremen Rechten ist ein offensichtlicher Ausdruck der Schwäche der bürgerlichen Hegemonie. Nüchtern betrachtet kann diese Schwäche kaum verwundern: Eine Politik im Interesse einer vermögenden Minderheit verliert die Unterstützung der Mehrheit, die von dieser Politik nichts mehr erwartet. Sozialabbau, Vereinzelung und steigende Unsicherheit für die Vielen stehen einer oftmals grotesken Abgehobenheit der Herrschenden gegenüber. Die Empfehlung für McDonald’s-Burger als Maßnahme gegen Kinderarmut oder der Kauf einer Eigentumswohnung als Ratschlag für Menschen mit Mietrückständen sind nur der Gipfel dieser Abgehobenheit und einer zunehmend verrohten Bürgerlichkeit.

Einem radikalisierten Konservativismus und der extremen Rechten fällt in einem solchen Stimmungsgemenge die Funktion zu, die Schwäche der bürgerlichen Hegemonie zu überdecken und übertönen – mit Ressentiments gegen Minderheiten, auf die die Wut über die herrschenden Verhältnisse abgelenkt werden sollen. Nötigenfalls wird die ideologische und politische Vorherrschaft mit Gewalt hergestellt. Gelingt es aber mit Wahlkampfschmähs, ist es den Förderern und Finanziers reaktionärer Kräfte nur recht und billig.

Genau so ist es der FPÖ in Österreich über Jahrzehnte gelungen, aus dem Unmut über soziale Missstände geschickt ein Schwungrad zu bedienen, dass soziale Missstände und Notlagen für die Bevölkerung nur noch weiter verschärfte, während es die Taschen zahlreicher Parteifunktionäre füllte.[1] Eine Methode, die sich die ÖVP spätestens mit der Übernahme der Partei durch Sebastian Kurz und sein Umfeld zu eigen machte. Will man Ursachen und Funktion des Aufstiegs der Rechten verstehen, darf man die FPÖ nicht als isoliertes Phänomen betrachten. Vielmehr gilt es die Scharnierfunktion konservativer sowie liberaler Kräfte und der bürgerlichen Medienlandschaft bei der Popularisierung rechter Diskurse in Auge zu nehmen.

 

Wo die KPÖ stark ist, wachsen die Bäume der FPÖ nicht in den Himmel

Erwin Riess, der leider zu früh verstorbene Schriftsteller und Beobachter der hiesigen politischen Landschaft, beschrieb die österreichische Tragödie in seinem letzten, im Frühjahr 2023 veröffentlichten Text folgendermaßen:

„Daß die FPÖ jetzt in den Umfragen als stärkste Partei ausgewiesen wird, zeigt, daß das alte politische Mühlrad – die FPÖ braucht dem Treiben einer skandalgebeutelten ÖVP und einer schlafenden SPÖ nur zuzusehen, die Stimmprozente fallen ihr in den Schoß – sich wieder dreht.[2]

Riess sieht aber auch einen Lichtblick und führt in seinem Essay weiter aus:

„Einzig der steirischen und der Grazer KPÖ (28,8 % bei den Gemeinderatswahlen der zweitgrößten Stadt Österreichs mit 335.000 Einwohnern und der Eroberung des Bürgermeisterpostens durch Elke Kahr) gelang es, diesen Mechanismus zu durchbrechen und FPÖ ebenso wie SPÖ in Graz zu marginalisieren. Auch in Linz, Salzburg und Krems gelangen den Kommunisten Einbrüche ins politische Gefüge und zeigten, daß der Zug zur FPÖ kein Naturgesetz ist.“ [3]

Seit Veröffentlichung des Textes im März 2023 können wir ergänzen, dass der KPÖ weitere bedeutende Zugewinne bei den Salzburger Landtags- und Gemeinderatswahlen sowie mittlerweile auch in Innsbruck oder bei den steirischen Arbeiterkammer-Wahlen gelungen sind. All diese Zugewinne zeigen, dass die Bäume der FPÖ nicht in den Himmel wachsen, wo es eine starke KPÖ gibt. Und sie zeigen, dass die sozialen Anliegen der Arbeiter:innenklasse – leistbares Wohnen, höhere Löhne, Maßnahmen gegen Teuerung sowie Gesundheit, Pflege und Bildung – ins Zentrum der politischen und medialen Debatte rücken. Damit steigt der Druck von unten für echte soziale Verbesserungen, während konservative, liberale oder rechte Kulturkämpfe in den Hintergrund rücken.

Durch den konsequenten Einsatz für die sozialen Interessen der arbeitenden Menschen haben wir Kommunist:innen zusammen mit vielen Wegbegleiter:innen ein politische Praxis entwickelt, die für mehr und mehr Menschen einen fortschrittlichen Ausweg aufzeigt aus der sozialen und ökologischen Misere, die der Kapitalismus täglich anrichtet. Nicht die liberale Anrufung abstrakter Werte macht die Räume für den Aufstieg der Rechten eng. Vielmehr geht es um gemeinsam erkämpfte Verbesserungen und alltägliche Solidarität, die die materiellen Ursachen von Rechtsruck, Rassismus und Neofaschismus austrocknen kann.

Mit der KPÖ wächst in Österreich erstmals seit Jahrzehnten eine fortschrittliche politische Kraft, die sich mit den herrschenden Machtverhältnissen nicht abfinden will, die diese hinterfragt und zugunsten der arbeitenden Menschen grundlegend verändern will – und die dafür die Unterstützung von mehr und mehr Menschen erhält. Wir wollen als KPÖ eine soziale Alternative organisieren und weiter aufbauen, die der Arbeiter:innenklasse in ihrer ganzen Breite und Vielfalt eine politische Heimat gibt. Genau darin sehen wir das wirksamste Rezept gegen den Aufstieg der Rechten, den wir mit unserer Arbeit in Graz, in vielen steirischen Städten und Gemeinden, in Salzburg und nun auch in Innsbruck einbremsen konnten. Wo ein echter Kampf für ein besseres Leben geführt wird und Solidarität konkret erfahrbar ist, braucht es keinen billigen Ersatzstoff.

 

Robert Krotzer ist Landesvorsitzender der KPÖ Steiermark und Stadtrat der KPÖ Graz. Der Text entstand aufbauend auf den Beitrag „Was tun gegen rechts“ im Rahmen des Willi-Gaisch-Seminars der KPÖ Steiermark am 18. Mai 2024.

 

 

 

[1] Klassencharakter und gesellschaftliche Funktion der FPÖ beschrieb der Schriftsteller Erwin Riess in seinem Essay „Vom Glück auf dem Feldherrenhügel. Austria as it is 2023“ in der ihm eigenen analytische und sprachlichen Schärfe: „Gleichzeitig übt die FPÖ sich – wie ihre deutsche Vorgängerpartei während der dreißiger Jahre – in Liebedienerei vor der Großindustrie, welche ja zu ihren Sponsoren zählt. Der Glock-Konzern, die Nachfolgestiftungen des Turnauer Konzerns, Pierers KTM, der Wettmulti Novomatic und andere weltmarktgestählte österreichische Industriebetriebe gehören zu den verdeckten Sponsoren der Burschenschafterpartei. Während man der ÖVP eine systemische Korruptionsanfälligkeit konzedieren muß, sind Korruption und Wählerbetrug die einzige Existenzgrundlage der ‚Freiheitlichen‘. Sie stellt den europaweit gelungensten Versuch dar, aus einer klassisch strukturierten rechtsextremen Partei eine Vereinigung zu schaffen, die außer der allseitigen Beförderung der Korruption keinen anderen Lebenszweck hat und mit diesem Desperadokurs immer wieder Wahlen gewinnt.“

[2] Erwin Riess: Vom Glück auf dem Feldherrenhügel. Austria as it is 2023. Siehe: https://login.websitekit.at/media/alte-schmiede/1675939099-die-sichel-8-pdf.pdf

[3] Ebenda.

 

 

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