(Un-)Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum
Nur 44 Straßen und Plätzen in Graz sind nach Frauen benannt - Christine Braunersreuther interviewte Sarah Lintschnig
Straßenbenennung nach Frauen
Christine Braunersreuther sprach mit Mag.a (FH) Sarah Lintschnig MA, die mit ihrer Diplomarbeit „Über die (Un-)Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum – Topografische Bezeichnungen in Graz“ die wissenschaftliche Grundlage für die Ausstellung LOST SPACE? lieferte, über die politische Dimension der Straßenbenennung nach Frauen.
2,5 Prozent. Das mag sich – mittlerweile – viel anhören, wenn es z.B. um Lohnerhöhungen geht. Aber 2,5 % sind ganz schön wenig im Vergleich zu mehr als 50 %, die es sein müssten in der Repräsentation von Frauen im öffentlichen Raum. Aber obwohl sich die Stadt Graz bereits 2006 per Gemeinderatsbeschluss dazu bereit erklärt hat, bei der Neubenennung von Straßen und Plätzen Frauennamen zu bevorzugen, sind derzeit erst 44 Straßen und Plätze in der Stadt nach Frauen benannt. Was allerdings noch nicht automatisch heißt, dass damit die Frau hinter dem Namen sichtbar ist, geschweige denn, dass der Grund für die Benennung bekannt wird. Der kann nämlich sehr stark variieren. Unter den Namensträgerinnen sind international bekannte Wissenschafts-Pionierinnen genau so vertreten wie Ehefrauen ehemaliger Grundstücksbesitzer.
Bereits im Juni 2014 wurde daher von den Grünen, KPÖ und dem Pirat erneut ein Antrag in den Gemeinderat eingebracht, dessen Forderungen nach verbindlicherer Umsetzung in der Benennung von Straßen und Plätzen nach Frauen in einem Workshop zur Ausstellung LOST SPACE? von Vertreterinnen des Frauenrates und der politischen Parteien zusammen mit der Künstlerin Ina Mastnak erarbeitet wurden. Ein erfreulicheres Ergebnis daraus war etwa die Benennung des Platzes vor dem Liebenauer Stadion nach Bertha von Suttner – quasi als Kontrapunkt zum Platz vor dem Styria-Media-Center, der nach Josef Ritter von Gadolla benannt wurde und als friedenspolitisches Statement am Ende der Conrad-von-Hötzendorf-Straße.
Insgesamt 10 Straßen und Plätze wurden seit 2006 nach Frauen benannt – im Vergleich dazu 3 nach Männern und 6 mit sonstigem Bezug. Selbst wenn in Zukunft konsequenter Frauennamen für die Benennung herangezogen werden, so wird der große Aufholbedarf in den kommenden Jahren nicht zu decken sein. In der Gemeinderatssitzung von 23. April stellte Christine Braunersreuther für die KPÖ, unterstützt von Grünen und Pirat, daher den Antrag, im neuen Stadtteil Reininghaus in Anlehnung an das Vorgehen in Wien-Aspern, alle Straßen und Plätze nach Frauen zu benennen. Doch das war der SPÖ zu radikal und überkonsequent, auch die ÖVP befand, dass dabei die Benennung nach Pflanzen und Tieren oder Personen mit Ortsbezug zu kurz käme. Der Antrag wurde daher mehrheitlich abgelehnt.
CB: Du hast Sozialarbeit und dann im Master Interdisziplinäre Geschlechterstudien studiert.
Wie bist du dabei auf das Thema deiner Masterarbeit gekommen, in der du die Benennung von Straßen nach Frauen in Graz erforschst?
SL: Ich habe mich schon vorher mit Ungleichbehandlung beschäftigt – aber nicht nur zwischen Mann und Frau, auch gegenüber Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund und so weiter.
Bei der Ungleichverteilung zwischen Männern und Frauen denkt man meist eher an Löhne und Gehälter und Beschäftigung. Das ist auch wichtig, aber dazu wollte ich meine Arbeit nicht schreiben. Auf die Straßennamen bin ich gekommen, weil es so etwas Alltägliches ist, weil es so viele davon gibt bei denen gar nicht klar ist, wer das ist hinter dem Namen. Oft weiß man ja noch nicht einmal ob Mann oder Frau, weil kein Vorname dabei steht. Und weil ich glaube, das interessiert viele Menschen.
CB: Zumindest sehen es viele Menschen, tagtäglich...
SL: Genau. Ich habe mich deshalb im theoretischen Teil auch sehr stark mit Konzepten und der Bedeutung des öffentlichen Raumes auseinander gesetzt. Öffentlicher Raum ist ja etwas, woran Alle teilnehmen können, egal wie viel Geld sie haben, wie alt sie sind... Und die Straßenschilder sind so etwas wie ein öffentliches Museum, das nix kostet und das immer präsent ist und zudem sind sie in der Anschaffung nicht teuer. Zu ihnen zu forschen war für mich deshalb auch in dem Sinne: wem ist Geschichte zugänglich und welche Geschichte wird da erzählt?
CB: Und – welche Geschichte wird da erzählt?
SL: Zumindest keine Frauengeschichte. Damals, 2012, waren es 39 Straßen und Plätze, die nach Frauen benannt waren. Heute sind es ja ein paar mehr.
CB: Ja, jetzt sind es 44. Aber lässt sich die Repräsentanz allein an Zahlen festmachen?
SL: Nein, natürlich nicht. Die Zahl ist nur das Eine. Aber ich habe mir auch einen Stadtplan gemacht, um zu sehen, wo die Straßen liegen und bin sie alle mit dem Rad/Auto abgefahren um zu sehen, was für Straßen das sind. Viele davon sind nämlich sehr kleine Straßen, in denen es kaum Hausnummern gibt, Sackgassen, Wege in Wohngebieten oder Stege und weit ab vom Schuss. An drei Orten gab es noch nicht einmal ein Schild mit dem Namen – und das lag nur bei einer Straße, dem Olga-Rudel-Zeynek-Weg, daran, dass die Straße noch nicht fertig war. Mittlerweile sind aber alle Schilder angebracht.
CB: Wie bist du denn zu den Straßen gekommen?
SL: Ich habe mir zum Einen das Buch von Karl Kubinzky und Astrid Wentner zu den Grazer Straßennamen durchgelesen. Das enthält ja auch Informationen zu den Personen, nach denen die Straßen benannt sind, und war sehr hilfreich. Weitere Informationen über die Namensgeberinnen habe ich mir aus anderen Quellen gesucht. Aber ich habe auch alle Gemeinderatsprotokolle durchgesehen um zu schauen, ob es noch Neuerungen gibt.
CB: A propos Gemeinderat: du hast es ja nicht bei der statistischen Forschung belassen.
SL: Ja, ich habe auch Interviews mit VertreterInnen aller Fraktionen geführt, die damals im Gemeinderat vertreten waren. Das waren KPÖ, Grüne, SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ. Ich wollte von ihnen wissen, wie sie dazu stehen und für wie wichtig sie es halten, dass mehr Straßen und Plätze nach Frauen benannt werden.
CB: Und wie war das Ergebnis?
SL: Wie zu erwarten (lacht). KPÖ, Grüne und letztendlich auch SPÖ waren dafür. Die ÖVP auch nicht ganz dagegen. Aber die Rechten haben das Thema gar nicht Ernst genommen. Da kamen so Kommentare wie „sich mit so was auseinanderzusetzen ist ja Beschäftigungstherapie für Leute, die sonst nix zu tun haben...“
CB: Aber die vielen BesucherInnen der Ausstellung LOST SPACE? haben dann zum Glück gezeigt, dass es doch ein gewisses öffentliches Interesse am Thema gibt. Wie ist es eigentlich zur Ausstellung gekommen? War das deine Initiative?
SL: Nein, das war ein großes Glück mit der Ausstellung. Für mich war das Thema mit der Masterarbeit eigentlich beendet. Aber ich hab die Arbeit an einige Leute rumgeschickt, von denen ich dachte, das könne sie interessieren. Darunter war auch Ina Mastnak vom Projekt LOST SPACE?. Die hat mir gleich geantwortet und letztendlich die Ergebnisse das Masterarbeit als wissenschaftliche Grundlage für die Ausstellung genutzt. Das war ein richtig angenehmes Zusammenarbeiten. Sie hat alles mit mir abgesprochen, immer meinen Namen genannt, aber ich musste dafür eigentlich nicht mehr viel tun.
CB: Hast du vor, die Ergebnisse weiter zu verwerten?
SL: Nein, eigentlich nicht. Ich habe mit meiner Arbeit als Sozialarbeiterin, der Ausbildung zur Psychotherapeutin und Ilija (dem einjährigen Kind) eigentlich genug zu tun. Wobei – so eine Stadtführung zu den Straßen und Plätzen mit Frauennamen fände ich schon spannend. Besser mit dem Fahrrad, weil die ja so weit verstreut sind.
Hier geht's zur Masterarbeit:
http://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/224931?originalFilename=true
Veröffentlicht: 20. Mai 2015