Unser neues Frauenprogramm
Wir Frauen in der Steiermark brauchen eine fortschrittliche Politik
Zur Entstehung des neuen Frauenprogramms
Vor zwei Jahren fand ein Frauenarbeitskreis statt, bei dem beschlossen wurde, das KPÖ-Frauenprogramm zu aktualisieren. Schon oft hatten wir davor darüber geredet, dass das notwendig ist. Das Wissen um den Umfang der Arbeit, die auf uns zukommt, hatte uns aber immer wieder davon abgehalten. Doch das Bedürfnis, das inzwischen 15 Jahre alte Programm an die veränderte Realität anzupassen, neuere, gesellschaftsrelevante Themen zu analysieren und dementsprechende politische Forderungen zu formulieren, war so groß, dass wir den ersten Schritt gewagt haben. Als Grundlage für das Frauenprogramm diente uns die bisher gültige Version aus dem Jahr 1997. Es war von Beginn an wichtig, die Aktualisierung nicht von wenigen Expertinnen durchführen zu lassen, sondern einen demokratischen Prozess innerhalb der steirischen Partei zu initiieren. Möglichst viele Genossinnen sollten in die Arbeit miteingebunden werden und mit Diskussionsbeiträgen, Ideen, Texten zum Gelingen beitragen. Und so veranstalteten wir zwischen April 2013 und Jänner 2014 drei Seminare, bei denen wir uns mit der Frauenbewegung in Österreich, unserer eigenen Geschichte als Frauen innerhalb der Kommunistischen Partei und der konkreten Programmarbeit auseinandersetzten. Arbeitsgruppen zu den einzelnen Kapiteln wurden gegründet, denn schnell war uns klar, dass die Aufteilung der Bereiche, so wie sie im alten Programm getroffen wurde – „Die Bedeutung globaler Entwicklungen für Frauen“, „Für das Recht auf Arbeit und Bildung im 21. Jhdt.“, „Das soziale Risiko, Frau zu sein“, „Eine neue Kultur des Zusammenlebens“ und „Der Frauenkampf im Spannungsfeld politischer Interessen“ bestehen bleiben kann. Nach dem Recherchieren, Schreiben, Ergänzen, Korrekturlesen, Verbessern und wieder Schreiben, gab es Ende Juni des vergangenen Jahres eine erste Rohfassung, die wir in den Bezirken allen Genossinnen und Genossen zur Diskussion stellten. Bei unserer Frauenkonferenz am 8. November 2014 wurde das vorliegende Programm noch einmal auf seine praktikable Umsetzung überprüft. Dabei entstanden Ideen für Veranstaltungen und Kampagnen, viele Gedanken zur konkreten politischen Arbeit wurden zusammengefasst. Dieser Teil erschien uns besonders wesentlich, denn: Ein Programm ohne Beziehung zu unserer praktischen Arbeit ist nutzlos.
Zur aktuellen politischen Lage
Die Frauen in der Steiermark brauchen uns und eine fortschrittliche Frauenpolitik. Das zeigen die Entwicklungen auf Landesebene durch die so genannte Reformpartnerschaft und speziell auch in Graz, wo eine Frauenstadträtin amtiert, die sich offensichtlich ihrer Verantwortung nicht bewusst ist. Was wir erleben ist ein massiver Rückschritt: Die neoliberale Politik hat große negative Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Weltweit haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen auch von Frauen verändert. Die kapitalistische Globalisierung hat mehr Frauen als jemals zuvor in einem weltumspannenden Prozess in die Erwerbsarbeit gebracht und gleichzeitig ihre Rolle in der Arbeitswelt durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, schlecht bezahlte Teilzeitjobs, generelle Senkung des Lohnniveaus und Verdrängungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt erniedrigt. Die herrschende Politik verfügt Kürzungen und Streichungen auf allen Ebenen: Im Sozial-, im Gesundheits-, im Bildungs- , im Kultur- und Jugendbereich. Aktuell ist in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Unabhängigen Frauenbeauftragten der Stadt Graz und die Evaluierung aller Grazer Einrichtungen für Mädchen, Frauen und Migrantinnen zu erwähnen. Beides diente dem von der EU ausgerufenen „Sparzwang“ – während Milliarden Euro für Banken und Konzerne fließen. Marx und Engels haben den „Grad der weiblichen Emanzipation als das natürliche Maß für die allgemeine Emanzipation des Menschen“ erklärt. Sehen wir uns die Realität an, dann müssen wir feststellen: Da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns! Militarisierung und Krieg sind prägende Bestandteile der kapitalistischen Globalisierung, um weltweit Rohstoffe und Einflusszentren zu sichern. In diesen Kriegen, von Jugoslawien, Afghanistan, Iran, Irak und Palästina bis zur Ukraine, sind vor allem Frauen Opfer und fester Bestandteil psychologischer Kriegsführung. Sie stellen einen großen Teil der zivilen Kriegsopfer, werden vergewaltigt, verschleppt, gedemütigt. 80% der Flüchtlinge weltweit sind Frauen und Kinder. Von den 2,5, Millionen Menschen, die von Menschenhandel betroffen sind, sind ebenfalls 80% Frauen. Diese Zahlen hat uns aktuell Bettina Jürgensen von der DKP mitgebracht, die bei unserer Frauenkonferenz zu Gast war und referiert hat. Schauen wir noch einmal nach Österreich: Trotz Gesetzen, die Frauen und Kinder vor Gewalt schützen, ist sie nach wie vor für viele Alltag. Das ist auch daran zu erkennen, dass die Frauenhäuser niemals leer stehen. Frauen verdienen nach wie vor weniger, haben geringere Aufstiegschancen im Beruf und leisten den Großteil der unbezahlten Arbeit. Die Kürzungen auf Landesebene durch SPÖ und ÖVP treffen Frauen oft doppelt und dreifach. Sie verlieren ihre Jobs, weil sie z.B. im Sozial- oder Gesundheitsbereich arbeiten. Sie leiden unter der Kürzung der Wohnbeihilfe und anderen sozialen Leistungen, weil sie die Mehrheit der Anspruchsberechtigten aufgrund ihrer niedrigen Einkommen ausmachen, sie müssen mit geringeren Pensionen auskommen, weil sie oft viele Jahre Teilzeit gearbeitet haben, um neben ihrer Berufstätigkeit Kinderbetreuung und/oder die Pflege von Angehörigen leisten können. Frauen sind deshalb auch in hohem Maß von Altersarmut betroffen.
Gegen all diese Entwicklungen müssen wir als Kommunisten und Kommunistinnen ankämpfen! Wir unterscheiden uns von allen anderen Parteien, weil wir nicht nur über die notwendige Verbesserungen reden, sondern auch unsere Politik dahingehend entwickeln und konkret danach handeln. Was uns auch von den anderen Parteien unterscheidet, ist unsere lange Tradition, wenn es um die Auseinandersetzung mit Gleichstellung innerhalb unserer eigenen Reihen geht. Wir können mit Stolz behaupten, dass sich Kommunisten und Kommunistinnen – oft unter Lebensgefahr – für ein freies und demokratisches Österreich eingesetzt haben. Viele mussten dafür auch ihr Leben lassen. Und wir können auch mit Stolz behaupten, dass unsere Genossen und Genossinnen gegen Ungerechtigkeiten gekämpft und sich für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt haben. Die KPÖ war die erste Partei, die dazu auch ein eigenes Frauenprogramm entwickelt hat. Dieser Einsatz und dieses Engagement werden mittlerweile weit über unsere Parteigrenze hinaus gesehen und gewürdigt: Maria Cäsar hat mehrere hohe Auszeichnungen bekommen, ihr wurde das „Große Ehrenzeichen des Landes Steiermark“ für ihren Kampf gegen den Faschismus und für die Rechte der Frauen verliehen! Durch den Einsatz vieler beherzter Genossinnen, etwa im Bund Demokratischer Frauen, gab es Erfolge im Kampf für die Gleichstellung. Oft waren es aber auch gerade die Erfolge, die dazu verführt haben, ruhiger zu werden. Immer wieder mussten Frauen – auch innerhalb unserer Partei – thematisieren, dass wir von unserem Ziel noch weit entfernt sind. Was uns positiv von anderen Parteien unterscheidet ist unter anderem, dass wir es in der jüngeren Vergangenheit geschafft haben, Rahmenbedingungen und Parteistrukturen so zu gestalten, dass es für Männer und Frauen gleichermaßen möglich ist, politische Funktionen zu übernehmen. Seit vielen Jahren wird bei allen großen Parteisitzungen eine Kinderbetreuung angeboten, unsere Listenerstellung bei Wahlen erfolgt nach dem Reißverschlussprinzip.
Warum ein eigenes Frauenprogramm?
Ein eigenes Frauenprogramm in der KPÖ ist nichts Neues. Jahrzehntelanger Kampf von Genossen und Genossinnen für Frauenrechte, viele Resolutionen und aktionspolitische Orientierungen haben den nächsten logischen Schritt eingeleitet, ein eigenes Frauenprogramm zu entwickeln. Das erste wurde im Juni 1990 beschlossen. Bei allen unterschiedlichen Meinungen, die in unserer Partei zu bestimmten Fragen selbstverständlich ihre Berechtigung haben, sollen nur zwei Dinge immer an vorderster Stelle stehen: Der respektvolle Umgang miteinander und das Bewusstsein dafür, dass im Mittelpunkt unseres Tuns die Menschen stehen, für die wir Verbesserungen erreichen wollen – nicht wir selbst. Wir Kommunisten und Kommunistinnen verfolgen das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen ernsthaft, deshalb ist uns auch bewusst, dass die Stellung der Frau in der Gesellschaft sich aus ihrer Klassenzugehörigkeit ergibt, ihre gesellschaftliche Stellung jedoch nicht ausschließlich an die Klassenzugehörigkeit gebunden ist. So gibt es entscheidende gemeinsame Interessen von Männern und Frauen in der ArbeiterInnenklasse gegenüber dem Kapital und gleichzeitig Interessensgegensätze zwischen Männern und Frauen in der Klasse selbst. Ein Blick auf die historische Arbeiter- und proletarische Frauenbewegung zeigt, dass die revolutionäre Absicht nicht in jedem Fall ein Fortschritt für die Sache der Frauen war. Die öffentliche Beteiligung der Frauen an Erwerb, Bildung und Politik konnte ihre „private“ Unterdrückung nicht verhindern. Der Kapitalismus braucht die doppelte Ausbeutung der Frauen, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten. Patriarchalische Verhältnisse werden in diesem Sinne durch kapitalistische Gesellschaftsstrukturen spezifisch ausgeprägt und sind für sie in hohem Maß Grundlage ihrer Funktionstüchtigkeit, aber sie lassen sich nicht nur auf diese zurückführen. Sie sind vor dem Kapitalismus entstanden und verschwinden nicht mit ihm. Die KPÖ tritt dafür ein, dass alle Menschen, Männer und Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft, in ihrem sozialen Umfeld, am Arbeitsplatz und in allen anderen Lebensbereichen die gleichen Rechte genießen. Ein allgemein formuliertes Recht heißt aber noch lange nicht, dass es von allen gleich wahrgenommen werden kann. Das vorliegende Programm ist ein Beitrag und ein Aufruf für ein eigenständiges Engagement der Frauen, deren Befreiung nur ihr eigenes Werk sein kann! Ein großes Danke an alle, die sich mit dem Programm intensiv auseinandergesetzt und sich mit ihren Anmerkungen, ihrer Kritik und Ihren Verbesserungsvorschlägen eingebracht haben. Mein besonderer Dank gilt jenen beiden Frauen, die sich anschließend an die „Knochenarbeit“ gemacht haben und die Rohfassung dementsprechend überarbeitet haben: Anne Rieger und Heide Bekhit.
Claudia Klimt-Weithaler, Landessprecherin KPÖ Steiermark, Klubobfrau Landtagsklub KPÖ Steiermark
Veröffentlicht: 25. Februar 2015