"Zahlt die Kosten Eurer Pleiten selber"
KPÖ-Landesvorstand zur Krise und ihren Folgen
Zahlt die Kosten Eurer Pleiten selber!
Die Position der steirischen KPÖ angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise
I
Die Steiermark ist ein Brennpunkt der Wirtschaftskrise in Österreich: Magna-Steyr und andere Autozulieferbetriebe sind bedroht. Die Stahlindustrie, die Papierindustrie und andere Industriezweige stehen vor Kurzarbeit und Kündigungen. Mit den Massenkündigungen bei AT&S Hinterberg hat die Krise auch die Elektronikindustrie erfasst. Das Banken- und Versicherungssystem ist angeschlagen. Darüber hinaus nutzen einige Firmen die Lage aus, um schon lange geplante Personalabbaumaßnahmen und die Verlagerung von Produktionen zu verwirklichen.
Wir sind in der Tat mit einer finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Krise des Systems konfrontiert, die täglich weiter eskaliert. Sie verschärft und verschlimmert die Lebensmittel-, Energie- und Umweltproblematik. Der Frieden ist durch Militäreinsätze im Kampf um die Kontrolle von Rohstoffquellen bedroht. Die Ursachen der Krise liegen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem des global agierenden Kapitalismus. Seine Herrschaft muss deshalb eingeschränkt und überwunden werden.
Die Milliardensummen aus Steuergeldern zur Rettung des Banken- und Finanzsystems sowie die Konjunkturpakete der Regierungen dienen aber zur Stabilisierung dieses Systems und sollen über Steuern und Abbau von öffentlichen Sozialleistungen von der Mehrheit der Bevölkerung aufgebracht werden.
Die österreichischen Banken haben durch ihr Engagement in Osteuropa für eine hausgemachte Zuspitzung der Krise gesorgt. Die Vergabe von Krediten im Umfang von mehr als zwei Dritteln des österreichischen Brutto-Inlandsprodukts gefährdet die Stabilität des Finanzsystems in Österreich. Mit der Forderung nach einem „Osteuropa-Hilfspaket“ durch die Bundesregierung hat die Krise in Österreich eine neue Stufe erreicht.
Gleichzeitig bleiben die Privilegien der Großunternehmer und der Spitzenmanager aufrecht. Manche von ihnen kassieren auch jetzt noch provozierend hohe Dividenden und Abfertigungen. Das zeigen Beispiele aus den USA und EU-Mitgliedsstaaten, aber auch aus unserem Land.
In Österreich privatisiert die Bundesregierung in dieser Situation die Fluggesellschaft AUA und denkt über eine Teilprivatisierung der ÖBB nach. Das Land Steiermark setzt keine Schritte zur Übernahme von gefährdeten Betrieben durch die öffentliche Hand. Und zahlreiche Gemeinden belasten durch Tarif- und Gebührenerhöhungen sowie durch einen ungebremsten Sparkurs die Bevölkerung zusätzlich.
II
Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa entzaubert die EU und stellt sogar den Euro in Frage. Ganz im Gegenteil zu den täglichen Propaganda-Mythen in den Medien ist auch das ein Fazit der Entwicklung in den letzten Monaten.
Man redet davon, dass die EU einen Schutz vor der Krise bieten würde. In Wirklichkeit sieht die Öffentlichkeit immer deutlicher, dass die Herrschenden in den einzelnen Staaten jetzt gegeneinander agieren, um „ihre eigenen“ Großkonzerne und Banken zu retten, auch auf Kosten der anderen. Die Interessen der arbeitenden Menschen stehen dabei an letzter Stelle.
Und auch der Euro ist dabei, als Gemeinschaftswährung die erste Belastungsprobe nicht zu bestehen: Dabei geht es nicht nur um die gegenwärtigen Schwäche der Währung auf dem Devisenmarkt gegenüber Schweizer Franken und US-Dollar, sondern vor allem um die inneren Widersprüche in der Eurozone. Das „Rating“ von Staaten wie Griechenland, Spanien, Italien oder Irland hat sich dramatisch verschlechtert.
Darüber hinaus kann man in EU-Mitgliedsstaaten wie Lettland oder Ungarn sehen, was uns noch bevorsteht: Aus der Wirtschaftskrise wird eine gesamtgesellschaftliche Krise, die auf Anordnung von EU-Kommission und IWF durch Lohnabbau und Streichen von Sozialleistungen ohne Rücksicht auf die Forderungen der Bevölkerung überwunden werden soll.
Die Krise verschärft die Konkurrenz der imperialistischen Hauptzentren und beschleunigt die Auseinandersetzung um den Zugang zu Energie- und Rohstoffressourcen. Das erhöht die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Erde.
Gleichzeitig wird die Krise von rechtsextremen Kräften weltweit und in Österreich dazu benutzt, durch Ausländerhetze und nationalistische Kampagnen zu einer Reserve-Option für die Herrschenden aufzusteigen. Wir dürfen diese Gefahren nicht unterschätzen, weil nach dem Ende der ideologischen Hegemonie des Neoliberalismus eine massenwirksame und fortschrittlichen Alternative fehlt und das Massenbewusstsein der Bevölkerung über weite Strecken durch die imperialistische Bewusstseinsindustrie geprägt ist.
III
Die steirische KPÖ ist in dieser Situation an der Seite der arbeitenden Menschen. Sie wendet sich gegen Kündigungen und Lohnverzicht. Wir fordern dazu auf, dass die Verantwortlichen für den Casinokapitalismus auch für die Kosten der Pleiten und Krisen aufkommen.
Als Sofortmaßnahme fordern wir die Errichtung einer steirischen Landesholding. Ihre vorrangige Aufgabe ist der Erwerb von langfristigen Beteiligungen in qualifizierter Höhe an Unternehmen mit Standorten in der Steiermark. Die Wiederherstellung eines deutlichen Einflusses der öffentlichen Hand in Form von Beteiligungen an Betriebsvermögen soll Betriebsschließungen aus Gründen der Profitmaximierung einen Riegel vorschieben. Wir müssen das öffentliche Eigentum im Sinne der Bevölkerung nützen.
Um den Lebensstandard der Bevölkerung zu sichern, fordert die steirische KPÖ:
• Privatisierungsstopp in Bund, Land und Gemeinden. Schutz und Förderung des öffentlichen Eigentums.
• Keine Erhöhung von Tarifen und Gebühren in Bund, Ländern und Gemeinden
Gesetzliche Mietzinsobergrenzen für alle Wohnungen, Entkoppelung der Verwaltungskosten von der jeweiligen Kategorie-A-Miete.
• Abschaffung der Mehrwertssteuer auf Grundnahrungsmittel, Mieten, Betriebskosten und Medikamente.
• Wiedereinführung der amtlichen Preisregelung bei Grundnahrungsmitteln und Energie.
• Kräftige Gehalts- und Pensionserhöhungen, welche die Teuerung abdecken und die gewachsene Produktivität berücksichtigen.
• Erhöhung der Lehrlingsentschädigungen.
• Inflationsausgleich beim Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe.
ARbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.
Die steirische KPÖ fordert:
• Sofortige Vergesellschaftung des gesamten Banken- und Versicherungssystems in Österreich unter demokratischer Kontrolle. Halbherzige Maßnahmen helfen nicht mehr weiter.
• Beteiligung der öffentlichen Hand an privaten Produktionsfirmen als Gegenleistung für Finanzhilfen.
• Wir verlangen die Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen, eine gesetzliche Beschränkung spekulativer Finanzgeschäfte und die Einhebung einer Kapitalverkehrssteuer.
• Die Spareinlagen der Bevölkerung sind zu sichern, gleichzeitig ist sicherzustellen, dass Gemeinden, Klein- und Mittelbetriebe und das Gewerbe weiterhin günstige Kredite erhalten.
• Ein Zinsmoratorium für Schulden der öffentlichen Hand sowie eine teilweise Schuldenstreichung für die Gemeinden.
• Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung kommunaler Aufgaben.
• Die Maastricht-Kriterien und der innerösterreichische „Solidarpakt“ sind nicht mehr anzuwenden, weil sie zu den Verursachern der Krise gehören und jetzt einen positiven Ausweg behindern.
• Stärkung der solidarischen Sicherungssysteme - Alters-, Gesundheits-, Pflegeversorgung dürfen nicht privatisiert bzw. den Aktienmärkten ausgeliefert werden.
• Die öffentlichen Haushalte müssen der Stärkung der Kaufkraft der Bevölkerung und der Ankurbelung der Wirtschaft dienen.
• In diesem Zusammenhang fordern wir ein staatlich gefördertes Wohnungsbauprogramm zur Schaffung von leistbarem Wohnraum in den Gemeinden.
• Durchsetzung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, die die Belastung der Umwelt minimiert, Vorrang von Lebensrechten vor den Freiheiten des Binnenmarkts, statt Millionen für Euratom soll in Umwelttechnologien investiert werden.
• Wiedereinführung der Vermögenssteuer, der Erbschafts- und der Schenkungssteuer.
• Keine Beteiligung am Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie, keine Beteiligung an militärischen Abenteuern, aktive Neutralitätspolitik.
III
Alle diese Maßnahmen bleiben auf dem Papier, wenn die Bevölkerung nicht durch Initiativen von der Basis aus eine Änderung des Kurses und der Ausrichtung der gesamten Politik durchsetzt. Die Verflechtung der Macht des Staates mit der Macht der Monopole und die Rolle der EU als supranationaler Kraft zur Durchsetzung der Interessen des Großkapitals sind in der Krise darauf gerichtet, um sicher zu stellen, dass der Kapitalismus aus ihr noch stärker hervorgeht. Die Maßnahmen der Herrschenden zielen darauf, die Positionen der arbeitenden Menschen noch mehr zu schwächen und 20 Jahre nach dem Untergang des Sozialismus in Europa die letzten Reste des Sozialstaats und die noch vorhandenen Hindernisse für eine ungehemmte Kapitalverwertung zu beseitigen.
Viele Menschen üben jetzt grundsätzliche Kritik am Gesellschaftssystem, das die heutige Krise hervorgebracht hat. Es ist die Aufgabe der KommunistInnen, dazu beizutragen, dass es zu einem wirksamen Widerstand mit der Perspektive einer fortschrittlichen Alternative kommt.
Wir sagen den Verursachern der Krise: Schluss mit der Belastung der Mehrheit der Bevölkerung! Zahlt die Kosten Eurer Pleiten selbst!
Deshalb beteiligt sich die steirische KPÖ auch an überparteilichen Initiativen wie der Plattform für eine demokratische Wende. Es geht um eine grundlegende strategische Neuausrichtung der gesellschaftlichen Entwicklung.
Die Aufgabe der marxistischen Kräfte - und damit ganz besonders der steirischen KPÖ – ist es, eine effektive Rolle in der Entwicklung der Bewegungen, ihrer Positionen, ihrer Forderungen und in den Auseinandersetzungen zu spielen.
Ohne ein aktives Handeln der Leute, die jetzt vom Kapital ausgebeutet und von der herrschenden Politik betrogen werden, ist diese Wende aber nicht möglich. Es kommt auf uns alle an.
Veröffentlicht: 28. Januar 2009